Ñāṇārāma Mahāthera.Die Sieben Betrachtungen
- 20 Persönlichkeitsansichten




1. Die 20 Persönlichkeitsansichten
2. Auf Form basierende Ansichten eines Selbst
3. Auf Gefühl basierende Ansichten eines Selbst
4. Auf Wahrnehmung basierende Ansichten eines Selbst
5. geistiger Gestaltung basierende Ansichten eines Selbst
6. Auf Bewusstsein basierende Ansichten eines Selbst
7. Die Fessel der Ansichten
8. Anmerkungen zu den 20 Persönlichkeitsansichten

Die 20 Persönlichkeitsansichten



1. Die 20 Persönlichkeitsansichten
Die fünf Anhäufungen, an denen zäh gehaftet wird, werden als "Persönlichkeit" (sakkāya) bezeichnet1. Hier bedeutet Anhaften lustvolle Sehnsucht (chandarāga) oder Begierde (tanhā)2. Wenn die fünf Anhäufungen zu stark mit Begierde behaftet sind, stellt man sich diese fälschlicherweise als ein Selbst oder als zum Selbst gehörend vor. Das Ergebnis ist das, was Persönlichkeitsansicht (sakkāya-ditthi) genannt wird. Diese Persönlichkeitsansicht kann in vier Formen in Beziehung zu jeder Anhäufung vorkommen, was insgesamt zwanzig solcher Formen erbringt3. Diese in den ältesten Suttas zu findenden Formen sind im Patisambhidāmagga im Detail erklärt4. Wir wollen sie kurz besprechen.




2. Auf Form basierende Ansichten eines Selbst
1. Man betrachtet materielle Form als das Selbst (rūpam attato samanupassati): Die erste Form von Persönlichkeitsansicht basierend auf materieller Form besteht durch die Vorstellung von "Ich" und "Selbst" in Bezug auf die fünf Sinnesfähigkeiten wie dem Auge usw., die zweiunddreißig Körperbestandteile beginnend mit den Kopfhaaren und die Gegenbilder usw., erlangt in der Kasina-Meditation. Der Anhänger dieser Ansicht behauptet, "gerade so, wie die brennende Flamme einer Öllampe sich nicht von ihrer Farbe unterscheidet, sondern identisch damit ist, sind auch materielle Form und das Selbst nichts Unterschiedliches, sondern das selbe."

2. Man betrachtet das Selbst als den Besitzer der materiellen Gestalt (rūpavantam attānam samanupassati):Hier werden die nichtmateriellen Bestandteile (nāma) mit dem Selbst gleichgesetzt. Dies sind die vier Anhäufungen Gefühl, Wahrnehmung, geistige Gestaltung und Bewusstsein. "Dieses nichtmaterielle Selbst ('Ich') ist ein Ding, materielle Form ein anderes. Als solches ist das Selbst ('Ich') der Besitzer der materiellen Form." Dies ist die zweite, auf materieller Form basierende Persönlichkeitsansicht. Eine dafür angeführte Erläuterung ist ein Baum in Beziehung zu seinem Schatten: obwohl der Baum und sein Schatten etwas Verschiedenes sind, sagt man der Baum hat einen Schatten.

3. Man betrachtet die materielle Form als im Selbst (attani rūpam samanupassati): Auch bei dieser Ansicht wird die Vorstellung eines Selbst in Beziehung zu den vier nichtmateriellen Anhäufungen aufrecht erhalten. Nach der Entscheidung, dass materielle Form im nichtmateriellen Selbst ist, auf der Basis der Existenz materieller Form in Verbindung mit dem Geist, behauptet der Anhänger dieser Ansicht: "Materielle Form ist ein Ding, das nichtmaterielle Selbst ist ein anderes; jene materielle Gestalt existiert in diesem Selbst." Er bringt dann eine Erläuterung vor: "In einer wohlriechenden Blüte ist der Wohlgeruch das eine Ding, die Blüte das andere; der Wohlgeruch existiert in der Blüte. Auf die selbe Weise existiert materielle Form im nichtmateriellen Selbst."

4. Man betrachtet das Selbst als in der materiellen Gestalt (rūpasmi attānam samanupassati): Der Anhänger dieser Ansicht betrachtet die vier nichtmateriellen Anhäufungen als das Selbst und stellt sich dieses Selbst als in der materiellen Form existierend vor. Er behauptet: "Dies ist materielle Form; dies ist das Selbst; dieses Selbst existiert in dieser materiellen Form." Er führt dann die Illustration an: "Es ist ein Juwel in einer Kassette: die Kassette ist etwas anderes als das Juwel; das Juwel ist in der Kassette. In der selben Weise ist das Selbst in der materiellen Form."



3. Auf Gefühl basierende Ansichten eines Selbst
5. Identifizierung des Gefühls (vedanā) mit dem Selbst. Das Gefühl, erlebt durch die sechs Sinne - oder die drei Gefühle von Freude, Schmerz und neutralem Gefühl - werden mit dem Selbst gleichgesetzt: dies ist die erste auf das Gefühl bezogene Persönlichkeitsansicht. Sie ähnelt der ersten Persönlichkeitsansicht, die auf der Basis materieller Form angenommen wird, wie oben besprochen.

6. Identifizierung des Selbst als Besitzer des Gefühls.

7. Identifizierung des Gefühls als im Selbst.

8. Identifizierung des Selbst als im Gefühl.

In diesen drei Ansichten stellt man sich das Selbst als aus den vier Anhäufungen bestehend vor - aus materieller Form, Wahrnehmung, geistiger Gestaltung und Bewusstsein - und Gefühl wird zu diesem Selbst in eine Beziehung gesetzt. Diese Ansichten ähneln den drei entsprechenden auf materieller Form basierenden Ansichten, wie oben erklärt.



4. Auf Wahrnehmung basierende Ansichten eines Selbst
9. Identifizierung von Wahrnehmung (saññā) als das Selbst. Es sind die zu den sechs Sinnesfähigkeiten gehörenden sechs Wahrnehmungen, die als das Selbst betrachtet werden. Dies ähnelt der ersten auf materieller Gestalt basierenden Persönlichkeitsansicht.

10. Identifizierung des Selbst als Besitzer von Wahrnehmung.

11. Identifizierung von Wahrnehmung als im Selbst.

12. Identifizierung des Selbst als in der Wahrnehmung.

In den obigen drei Fällen werden die Anhäufungen von materieller Form, Gefühl, geistiger Gestaltung und Bewusstsein zusammen als ein Selbst angesehen. Diese ähneln den entsprechenden Ansichten, die auf materieller Form beruhen.



5. Auf geistiger Gestaltung basierende Ansichten eines Selbst
13. Gleichsetzung geistiger Gestaltungen (sankhārā) mit dem Selbst. In dieser ersten, auf geistiger Gestaltung beruhenden Persönlichkeitsansicht, ist es der Wille (cetanā), der hauptsächlich als Selbst angesehen wird. Er kann ebenfalls als sechsfach angesehen werden in Beziehung zu den sechs Sinnesfähigkeiten. Es ist auch möglich, einen der anderen Geistesfaktoren, die unter der Rubrik der geistigen Gestaltungen vorkommen, als Selbst zu betrachten. Dies ähnelt der ersten, auf materieller Form beruhenden Persönlichkeitsansicht.

14. Identifizierung des Selbst als Besitzer geistiger Gestaltungen.

15. Identifizierung der geistigen Gestaltungen als im Selbst.

16. Identifizierung des Selbst als in den geistigen Gestaltungen.

In den obigen drei Fällen sind es die Anhäufungen von materieller Form, Gefühl, Wahrnehmung und Bewusstsein, die zusammen als das Selbst betrachtet werden. Diese ähneln den entsprechenden, auf materieller Form beruhenden Ansichten.



6. Auf Bewusstsein basierende Ansichten eines Selbst
17. Gleichsetzung von Bewusstsein (viññna) mit einem Selbst. In dieser ersten Ansicht wird das Bewusstsein, welches auf verschiedene Weise klassifiziert worden ist, als das Selbst angesehen. Das ist das Gegenstück zur ersten, auf materieller Form beruhenden Ansicht.

18. Identifizierung des Selbst als Besitzer des Bewusstseins.

19. Identifizierung des Bewusstseins als im Selbst.

20. Identifizierung des Selbst als im Bewusstsein.

In diesen drei Ansichten werden materielle Form, Gefühl, Wahrnehmung und geistige Gestaltungen zusammen als das Selbst angesehen. Diese ähneln den entsprechenden, auf materieller Form beruhenden Ansichten.



7. Die Fessel der Ansichten
Obwohl der Buddha die Persönlichkeitsansicht bezogen auf die fünf Anhäufungen analysiert hat, wird der unerleuchtete Weltling in folge seiner Unfähigkeit, diese Analyse zu verstehen, in diese Ansicht verstrickt. Während einige alle fünf Anhäufungen als Selbst betrachten, betrachten andere eine oder mehrere von ihnen als Selbst, wie oben gezeigt wurde. Die Persönlichkeitsansicht, welche auch als "Haften an einem Dogma vom Selbst" (attavād´upādāna) erwähnt wird, ist schwieriger zu verstehen als die anderen drei Formen des Anhaftens5; es ist die subtilste Offenbarung der zugrundeliegenden Tendenzen zu Ansichten (ditth´anusaya). Solange diese Tendenz nicht ausgerottet ist, verweilt der unwissende Weltling mit einem von der Persönlichkeitsansicht überwältigten Geist und weiß nicht, wie sie zu beseitigen ist6. Dadurch wird die Persönlichkeitsansicht verstärkt und wird für den Weltling zu einer Fessel, die ihn an den Samsāra bindet, den Kreislauf von Geburt und Tod. Vom guten Dhamma nichts wissend, wird er in Knechtschaft geboren, altert in Knechtschaft, stirbt in Knechtschaft und ebenso geht er zur nächsten Geburt in Knechtschaft7. Wie ein mit eiserner Kette an einen Pfosten gebundener Hund rennt er rund um die fünf Anhäufungen; er folgt den Anhäufungen ständig nach; er kann sich nicht von ihnen befreien und somit ist er nicht frei von Geburt, Verfall und Tod, von Sorge, Klage, physischem Schmerz, geistigem Stress und Verzweiflung.8

Wegen der Persönlichkeitsansicht nehmen Leute die zwei extremen Ansichten von Vernichtung und Ewigkeit an. Wenn ein Selbst zugelassen wird, muss es entweder für die Vernichtung oder für die ewige Existenz bestimmt sein. Der Patisambhidāmagga stellt fest, dass die fünf Persönlichkeitsansichten, welche jede Anhäufung einzeln als das Selbst betrachten (Nr. 1, 5, 9, 13 und 17, siehe oben), auf der Vernichtungsansicht beruhen, während die anderen fünfzehn Ansichten auf dem Ewigkeitsglauben aufbauen.9

Wenn die Fessel der Persönlichkeitsansicht zusammen mit den zugrunde liegenden Tendenzen zu Ansichten im Stadium des Stromeintritts vollkommen ausgerottet ist10, hegt der edle Schüler keine Persönlichkeitsansichten mehr. Wenn er persönlich das Merkmal des Nicht-Selbst auf dem Weg der Einsichtsmeditation realisiert, beseitigt der Einsichtsmeditierende versuchsweise die Persönlichkeitsansicht durch Ersetzen durch das Gegenteil (tadanga-pahāna). Die Kommentare führen an, dass diese zeitweilige Beseitigung bei der Vollendung des Wissens von der Abgrenzung des Geistigen vom Materiellen (nāmarūpapariccheda-ñāna) stattfindet11. Der weise Weltling, welcher durch das Studium des Dhamma eine eindeutige Feststellung bezüglich der Natur des Nicht-Selbst erworben hat, kann auch fähig sein, das aktive Stadium der Persönlichkeitsansicht einzuschränken.



8. ANMERKUNGEN ZU DEN 20 PERSÖNLICHKEITSANSICHTEN
1 S.III,159.


2 S.III,101.


3 Siehe z.B. M.I,300; S.III,102.


4 Pm.I,143-49.


5 In M.I,66 weist der Buddha darauf hin, dass andere geistige Lehrer einiges Verständnis vom Anhaften an die Sinnesfreuden, von Regeln und Sitten und falschen Ansichten erlangen können, aber abgesehen vom Vollkommen Erleuchteten und seinen Schülern kann keiner die Anhaftung an der Theorie vom Selbst voll verstehen.


6 M.I,433.


7 S.III,164-65.


8 S.III,150, 151.


9 Pm.I,150-51.


10 Pm.I,195.


11 Siehe z.B. MA.I,21.



Ñāṇārāma Mahāthera. Die Sieben Betrachtungen der Einsicht. © Theravadanetz.