Ñāṇārāma Mahāthera.Die Sieben Betrachtungen - Kapitel 3
- Die Betrachtung des Nicht-Selbst




1. Das Merkmal des Nicht-Selbst
2. Der dreifach Eingebildete
  2a.Das eingebildete "Ich bin" (asmi)
  2b.Das eingebildete "Ich bin dies" (ayam aham asmi)
  2c.Ich werde ewig sein (bhavissam/sassati-ditthi)- Einbildungen hinsichtlich der Zukunft
3. Das Merkmal des Nicht-Selbst in der Einsichtsmeditation
4. Die sechs Vorteile der Betrachtung des Nicht-Selbst
5. Anmerkungen zur Betrachtung des Nicht-Selbst

Die Betrachtung des Nicht-Selbst



(Anattānupassanā)


Einer, der die Betrachtung des Nicht-Selbst entfaltet, gibt die Vorstellung von einem Selbst auf.

(Anattānupassanam bhāvento attasaññam pajahati.)


1. Das Merkmal des Nicht-Selbst
Der Begriff "Nicht-Selbst" (anattā) bezeichnet das Fehlen einer immerwährenden Substanz, vorstellbar als ein Selbst, ein Wesen, eine Person oder irgendeine Wesenheit, über die wir Macht ausüben1. Zum Zweck der Verständigung müssen wir solche Begriffe wie "Selbst", "Wesen", "Person" usw. verwenden, aber all diese Begriffe der persönlichen Referenz sind nur konventionell und bezeichnen keine existenzielle Selbständigkeit der fünf Anhäufungen. Trotz dieses harten Faktes haben auf Grund von Unwissenheit viele scharfsinnige Denker seit undenklichen Zeiten die spontane Auffassung von einem Selbst sorgfältig zu der festen Ansicht ausgearbeitet, dass ein Selbst real existiert, dass wir wirkliche Wesen sind, dass es im Innersten jeder Person ein selbständiges geistiges Wesen oder eine selbständige geistige Seele gibt. Die Lehre des Buddha geht gerade wegen der Lehre der Selbstlosigkeit "gegen den Strich" all dieser religiösen und philosophischen Spekulationen über ein Selbst.

In der Zeit, als der Buddha in Indien erschien, stimmten die meisten Denker darin überein, dass die Wesen ein bleibendes Selbst haben, obwohl sie heftig über die Natur dieses Selbst stritten. Einige glaubten, das Selbst sei unendlich, andere, dass es endlich sei; einige setzten es mit Wahrnehmungsvermögen gleich, einige mit Intelligenz, einige mit Seligkeit. Die große Mehrheit sagte, das Selbst sei Geist und würde immerwährend existieren, aber eine freimütige Minderheit sagte, das Selbst sei materiell und würde beim Sterben zugrunde gehen. Alle diese Ansichten von einem Selbst entstanden, weil es ihnen misslang, die wahre Funktionsweise der fünf Anhäufungen zu durchschauen. In dieser Epoche behauptete der Buddha durch sein vollkommenes Wissen von der Realität, dass ein Selbst nirgendwo in irgendeiner Weise existiert. So löste er mit seiner Lehre vom Nicht-Selbst eine wichtige Revolution im menschlichen Denken aus2. Indem er die Wesen auf verschiedene Weise in Anhäufungen, Elemente und Sinnesbereiche (khandha - dhātu -āyatana) zerlegte, demonstrierte er, dass kein Wesen als ein Selbst verstanden werden kann3. Er bewies ferner, dass, weil diese Gestaltungen als Prozesse einer Ursache-Wirkungs-Beziehung bestehen, sie nicht der Kontrolle durch ein Selbst unterliegen4. Er demonstrierte klar, dass angesichts der universell wirkenden Gesetze der Unbeständigkeit und des Leidens die Idee von einem Selbst zusammenbricht.5

Im Yavakalāpī-Sutta des Samyutta Nikāya liefert der Buddha die bündige Darstellung davon, wie die Auffassung von einem Selbst im menschlichen Geist angesiedelt wird6. Er beginnt die Lehrrede mit einem Gleichnis: Einstmals hatten die Götter die Asuras (Titanen) in einer Schlacht besiegt. Sie fesselten den obersten Asura Vepacitti mit einer fünffachen himmlischen Fessel und brachten ihn zu Sakka, dem Götterkönig. Immer wenn Vepacitti der Gedanke kam: "Die Götter sind rechtschaffen und die Asuras unredlich, nun werde ich die Stadt der Götter betreten", lösten sich die Fesseln und er konnte die fünf Arten himmlischer Sinnesfreuden genießen. Wenn er dachte: "Die Asuras sind rechtschaffen und die Götter unredlich, nun werde ich die Stadt der Asuras betreten", vergingen die himmlischen Sinnesfreuden und er fand sich wieder mit fünffachen Fesseln gebunden.

Bezüglich dieser feinsinnigen himmlischen Fesselung, worin das Opfer in Abhängigkeit von seinen Gedanken gefesselt oder frei wird, erklärte der Buddha:

"O Mönche, seht, wie spitzfindig die Fesselung Vepacittis ist; aber die Fesselung durch Māra, den Bösen, ist noch heimtückischer. Wer sich etwas einbildet, ist gefesselt durch den Bösen7. Wer sich nichts einbildet, ist befreit vom Bösen. 'Ich bin' ist eine Einbildung (maññita); 'Ich bin dies' ist eine Einbildung; 'Ich werde sein' ist eine Einbildung; 'Ich werde nicht sein' ist eine Einbildung; 'Ich werde materielle Form haben' ist eine Einbildung; 'Ich werde formlos sein' ist eine Einbildung; 'Ich werde bewusst sein' ist eine Einbildung; 'Ich werde unbewusst sein' ist eine Einbildung; 'Ich werde weder bewusst noch unbewusst sein' ist eine Einbildung. Diese Einbildung, Mönche, ist eine Krankheit, ein Geschwür, ein Stachel.

Darum, Mönche, solltet ihr euch so schulen: 'Wir wollen unseren Geist freihalten von Einbildungen', eben so solltet ihr euch schulen, Mönche. 'Ich bin' ist Aufregung (iñjita) ... 'Ich bin' ist Herzklopfen (phandita) ... 'Ich bin' ist begriffliches Wuchern (papañcita) ... 'Ich bin' ist Dünkelhaftigkeit (mānagata)."

Um diese Lehrrede gut verstehen zu können, wollen wir untersuchen, wie dieses "Einbilden" geschieht. Im weltlichen Bewusstsein aller unerleuchteten Lebewesen liegen latent als Grundtendenz (anusaya) starke Verunreinigungen8. Diese umfassen Unwissenheit (avijjā) = Unkenntnis der Wahrheit; Begierde (tanhā) = Neigung, Verlangen, Genuss, Habgier; Dünkel (māna) = Verwendung des "Ich"-Konzeptes als vorherrschenden Ansichtsmaßstab; und Ansichten (ditthi) = das Festhalten an einer verzerrten Ansicht als Wahrheit. Wenn man beim Wahrnehmen von Objekten durch die sechs Sinnesfähigkeiten - Augen, Ohren, Nase, Zunge, Körper und Geist - nicht achtsam und vollkommen aufmerksam ist, werden diese Verunreinigungen auftauchen und aktiviert.9

Das Sehbewusstsein entsteht durch Auge und sichtbare Formen; das "Zusammentreffen" dieser drei Dinge - Auge, Formen und Bewusstsein - ist Kontakt; durch Kontakt entsteht Gefühl; alles Gefühl wird wahrgenommen. Wie hier beim Auge arbeitet der selbe Prozess in Verbindung mit den anderen Sinnesfähigkeiten10. Infolge von Unwissenheit ist man unfähig, diesen sehr raschen Prozess zu verstehen. Daher wird eine Person mit einem unenwickelten Geist, an einer tief verwurzelten Gewohnheit festhaltend, diese Wahrnehmung in einer verkehrten Weise ausüben.

Obwohl die Gestaltungen in Wirklichkeit unbeständig, widerwärtig, leidhaft und ohne Selbst sind, empfinden wir sie als beständig, schön, eine Quelle des Glücks, als Selbst und ermöglichen so die Verunreinigungen Gier, Dünkel und Ansichten. Daher bleibt die wahre Natur der Phänomene hinter dem falschen Anschein verborgen, den wir ihr irrtümlicherweise zuschreiben. Dieser Irrtum führt zur Bildung von falschen Ideen, Theorien und Annahmen. Der Buddha spricht von dieser Bildungstätigkeit als "Einbildung" (maññanā) und von ihren Ergebnissen als "Eingebildetes" (maññita)11



2. Das dreifach Eingebildete
Die obige Lehrrede hilft uns, drei Hauptstufen in der Entwicklung der "Einbildung" zu erkennen, die in der ausgereiften Ansicht von einem Selbst gipfelt. Wir wollen nun schauen, wie sich der Einbildungsprozess entwickelt.

2.a Das eingebildete "Ich bin" (asmi)
Durch das Genießen der Gefühle, die in Abhängigkeit zu einem der sechs Sinnesobjekte erzeugt werden, kommt basierend auf einer verzerrten Wahrnehmung, die Einbildungsaktivität der Gier (tanhā-maññanā) ins Spiel. Gelenkt von dieser einbildenden Aktivität, und wieder auf verzerrter Wahrnehmung basierend, beginnt die einbildende Aktivität des Dünkels (māna-maññanā), welche zur Einbildung der Sinnesobjekte in Begriffen von entweder "ich" oder "mein" oder "er/sie" oder "sein/ihr" führt. Wenn dieses Einbilden sich auf andere Personen bezieht, kann eine weitere Wertbestimmung stattfinden, wobei sie als hochwertiger, ebenbürtig oder minderwertiger in Beziehung zum eigenen "Ich"-Begriff eingeordnet werden. Wegen der einbildenden Aktivität der falschen Ansicht (ditthi-maññanā), übereinstimmend mit der anfänglichen Verzerrung der Wahrnehmung, werden diese verzerrte Wahrnehmung und das Ergebnis, das aus der einbildenden Aktivität des Dünkels hervorgeht, lebhaft als real eingebildet. Die einbildende Aktivität der Gier taucht wiederholt auf, und genießt die Einbildungen des Dünkels und der Ansichten, basierend auf der falschen Idee eines "Ich". Sie genießt sie und wird in sie verstrickt. Die Gier bildet sich ferner ein, sie könne die Sinnesobjekte als "mein" besitzen und sie für immer behalten12. Der wachsende Effekt dieser einbildenden Aktivitäten, welche sich auf verschiedene Art gegenseitig bedingen können, ist die feste Stabilisierung der Vorstellung von "Ich bin" im Geist.13

Beim Weltling, dessen Geist von allen Seiten durch die Dunkelheit der Unwissenheit verhüllt ist, wird mindestens eine der Einbildungen Gier, Dünkel oder Ansicht vorkommen, wenn er Sinnesobjekte wahrnimmt. In diesem Licht betrachtet wird es klar, wie stark die Vorstellung von "Ich bin" im getäuschten Geist verwurzelt ist. Folglich verankert sich fest im Geist ein starker Glaube in dem Sinne, dass es wirklich ein "Ich" gibt, ein dauerhaftes, wirkliches Wesen, welches sieht, hört, riecht, schmeckt, fühlt, denkt, wahrnimmt, erlebt, den Körper aktiviert und sowohl den Geist als auch den Körper kontrolliert. Wir bilden uns dieses "Ich" als eine souveräne und unabhängige Einheit ein, getrennt von der äußeren Welt. Wir entfalten eine starke Bindung an dieses "Ich", sind stark daran interessiert, es am Leben zu erhalten und zu bewahren, um lange seine Wünsche zu erfüllen. Wir streben danach, alle Arten von belebtem und unbelebtem Besitz "für mich" anzuhäufen; wir halten fest an Meinungen, Ansichten und Vorstellungen, die wir als "mein" betrachten. Man kann ohne jeden Zweifel behaupten, dass diese Doppelvorstellung von "ich" und "mein" die Grundursache, aller auf der Welt vorhandenen Probleme, Konflikte, Uneinigkeiten und Streitigkeiten, sowohl im individuellen, wie auch im kollektiven Bereich ist.

"Ich bin" ist eine verdrehte Idee, eine Einbildung, erzeugt in Verbindung mit den fünf Anhäufungen im allgemeinen14. Dies kann als das Anfangsstadium der Selbst-Ansicht erklärt werden.15



2.b Das eingebildete "Ich bin dies" (ayam aham asmi)
Der unerleuchtete Weltling, welchem seine tiefe Anhaftung an die Anfangseinbildung "Ich bin" behagt, strebt eifrig nach weiterer Bestätigung dieser verschwommenen "Ich"-Vorstellung. Diese sich als ein "Selbst" vorstellend, durch Erfahrung ausgestattet mit ihm vertrauten Eigenschaften, verleiht er ihr eine bestimmte Form16. Er festigt seine eingebildete Ansicht "Dies bin ich" wie folgt: Er bildet sich die Anhäufung der materiellen Form durch Feststellen bestimmter innerer oder äußerer materieller Form so ein: "Dies bin ich; dies ist mein Selbst"; die Anhäufung von Gefühl durch Einbilden: "Es ist das Ich, mein Selbst, das fühlt"; die Anhäufung der Wahrnehmung durch Einbilden: "Es ist das Ich, mein Selbst, das wahrnimmt"; die Anhäufung der geistigen Gestaltungen durch Einbilden: "Es ist das Ich, mein Selbst, das den Körper aktiviert und Kamma ansammelt", usw.; die Anhäufung von Bewusstsein durch Einbilden: "Es ist das Ich, mein Selbst, das erkennt"17. Übereinstimmend mit der eingebildeten Ansicht (ditthi-maññanā) "Dies ist mein Selbst" (eso me attā), setzt auch die Funktion der einbildenden Aktivität des Dünkels (māna-maññanā) ein, welche denkt "Dies bin ich" (eso´ham asmi), und die einbildende Aktivität der Gier (tanhā-maññanā), welche denkt "Dies ist mein" (etam mama)18

Es ist die eine oder andere der fünf Anhäufungen oder die fünf Anhäufungen als Ganzes, die bewusst oder unbewusst auf diese Weise als ein Selbst ersonnen werden19. Diese Ansicht von einem Selbst, welche sich in Verbindung zu jeder der fünf Anhäufungen auf eine von vier möglichen Weisen entwickeln kann, wird als "Persönlichkeitsansicht" oder die "falsche Ansicht von Individualität" (sakkāya-ditthi) bezeichnet. Auf dieser Basis haften die Leute fest an verschiedenen religiösen und philosophischen Glaubensrichtungen, die die Vorstellung von einem Selbst aufrecht erhalten.20



2.c Ich werde ewig sein (bhavissam/sassati-ditthi)- Einbildungen hinsichtlich der Zukunft
In einer Welt, die unbeständig, unsicher und unbegreiflich ist, bietet das aufgrund der Voraussetzung "Dies bin ich" eingebildete Selbst dem unerleuchteten Weltling das täuschende Gefühl von Sicherheit und Stabilität21. Deswegen ergreift er eifrig die Idee eines Selbst und ergeht sich auf verschiedene Weise in Spekulationen über die Zukunft dieses Selbst, soweit es die Kräfte seiner Einbildung zulassen22. Wenn er sich beharrlich die Annahme zu Eigen macht, "Mein Selbst ist ewig; ich werde ewig existieren" (bhavissam), läuft dies auf die Ewigkeitsansicht (sassata-ditthi) hinaus23. Bei weiteren Spekulationen bezüglich der Natur eines solchen ewigen Selbst werden die folgenden Einbildungen bei ihm entstehen: "Ich werde materielle Form besitzen" (rūpã bhavissam); "Ich werde formlos sein" (arūpã bhavissam); "Ich werde bewusst sein" (saññã bhavissam); "Ich werde unbewusst sein" (asaññã bhavissam); "Ich werde weder bewusst noch unbewusst sein" (n´eva saññã nāsaññã bhavissam)24

Wenn er die Hypothese: "Mein Selbst wird im Tod beendet sein; ich werde nicht zukünftig existieren" (na bhavissam) annimmt, läuft das auf die Vernichtungsansicht (uccheda-ditthi) hinaus. Diese Ansicht ist weniger ansprechend als die Ewigkeitsansicht, wird aber von denen vorgezogen, die sich von der Existenz bedrückt, erniedrigt und abgestoßen fühlen. Diese Leute finden Freude an der Vernichtungsansicht und "schießen über den Pfad des Nibbāna hinaus" mit der Erklärung: "Freund, dieses Selbst löst sich auf, ist vernichtet und zerstört bei der Auflösung dieses physischen Körpers und besteht nicht mehr nach dem Tode. Solch ein Zustand wäre ruhig und exzellent, die wahre Wirklichkeit". Wenn er die Hypothese: "Mein Selbst wird im Tod beendet sein; ich werde nicht zukünftig existieren" (na bhavissam) annimmt, läuft das auf die Vernichtungsansicht (uccheda-ditthi) hinaus. Diese Ansicht ist weniger ansprechend als die Ewigkeitsansicht, wird aber von denen vorgezogen, die sich von der Existenz bedrückt, erniedrigt und abgestoßen fühlen. Diese Leute finden Freude an der Vernichtungsansicht und "schießen über den Pfad des Nibbāna hinaus" mit der Erklärung: "Freund, dieses Selbst löst sich auf, ist vernichtet und zerstört bei der Auflösung dieses physischen Körpers und besteht nicht mehr nach dem Tode. Solch ein Zustand wäre ruhig und exzellent, die wahre Wirklichkeit".25

Wenn der Weltling die These von einem bestehenden Selbst akzeptiert hat, unterstützt er die Selbstvorstellung, indem er eine theoretischen Ansicht annimmt, die die Natur des Selbst und sein Schicksal erklärt: entweder die Ewigkeitsansicht, welche die ewige Existenz des Selbst bejaht oder die Vernichtungsansicht, welche eine Zukunft des Selbst nach dem Tode verneint.26

Im Yavakalāpī-Sutta hat der Buddha gezeigt, dass alle Begriffe betreffs eines "Ich" oder "Selbst" bloß Erfindungen der Einbildung sind. Sie sind Sprosse der Befleckungen Gier, Dünkel und Ansicht, hervorgebracht durch die Unwissenheit. Uns belehrend, den Geist von solchen leichtsinnigen Ideen freizuhalten, sie als Schlingen Māras zu betrachten, als Krankheiten, Geschwüre und Stachel, hat der Buddha die Nichtigkeit, die Gefahr und die Grundursache der Lehre von einem Selbst enthüllt, zusammen mit dem Weg, davon frei zu werden.27

Es scheint, als ob gerade diejenigen, welche nicht an der Lehre eines Selbst als religiösem Grundsatz haften, es noch immer schwierig finden, die Wahrheit des Nicht-Selbst zu realisieren, weil sie stark beeinflusst bleiben von der "Ich"-Vorstellung, der frühtheoretischen "Ich bin"- Einbildung. Wenn ein Gefäß oder irgend ein kostbarer Gegenstand zerbricht, finden die Leute Trost durch die Erinnerung an das Merkmal der Unbeständigkeit. Zu Beerdigungen zitieren sie stets: "Dem Verfall unterworfen sind leider alle Gestaltungen", und wenn sie von Krankheit oder Kummer heimgesucht werden, erinnern sie sich an das Merkmal des Leidens. Die Leute trösten sich im Unglück oder Elend durch die Erinnerung an beides - Unbeständigkeit und Leidhaftigkeit. Aber es gibt kaum einen bei solchen Anlässen, der das Merkmal des Nicht-Selbst erwähnt!

Wenn wir das Leben mit einem forschenden Geist betrachten, werden wir es nicht zu schwierig finden, einen sicheren Überzeugungsstand von der Wahrheit des Nicht-Selbst zu erreichen. Wir möchten im Leben immer gesund sein, wir wünschen uns, jung zu bleiben, und wir möchten unser Glück vergrößern und erhalten. Wir möchten nicht erkranken, alt werden, leiden oder sterben. Nichtsdestoweniger, trotz solcher Wünsche, stößt uns schließlich alles zu, was wir zu vermeiden trachten: wir erkranken, wir altern, wir leiden, und wir werden sicherlich sterben. Zeigt das nicht, dass da kein Selbst unser Leben reguliert oder Autorität ausübt über unseren Geist und Körper? Stellt euch vor, ernsthaft krank zu sein oder im vorgerückten Greisenalter. Dann sind eure Hände und Füße nicht mehr von euch kontrollierbar. Sogar eure Augen, Ohren und Nase verweigern euch den Gehorsam. Und sehr oft ist euch der Geist ebenfalls ungehorsam. Könnte das passieren, wenn ein "Ich" Macht über euren Körper und Geist hätte?

Die folgenden vier Faktoren werden auch helfen, das Merkmal des Nicht-Selbst in den fünf Anhäufungen zu verstehen:

  1. 1. Infolge des Fehlens einer innewohnenden Seele, eines Handelnden, eines Erfahrenden oder eines Aufsehers innerhalb der fünf Anhäufungen sind sie leer.

  2. Da niemand die fünf Anhäufungen besitzt, sind sie herrenlos.

  3. Es gibt keine Herrschaft oder Gewalt über das Merkmal der Veränderung, das in den fünf Anhäufungen enthalten ist.

  4. Sie schließen das Wesen eines Selbst aus, d.h. eines hypothetischen Selbst, das von den Anhängern anderer Glaubenssysteme akzeptiert wird.28




Das Merkmal des Nicht-Selbst in der Einsichtsmeditation
Wir wollen nun betrachten, wie das Merkmal des Nicht-Selbst in der Einsichtsmeditation auftaucht. Der Meditierende, der die Reinheit des Geistes erreicht hat, hat somit den Geist geklärt. Nun ist er brauchbar dafür, dass Achtsamkeit und Wissensklarheit erfolgreich angewandt werden können. Wir wollen annehmen, dass der Meditierende das Heben und Senken der Bauchdecke als Hauptmeditationsobjekt gewählt hat. Mit voller Konzentration richtet er seine Aufmerksamkeit auf die Bauchbewegung, und darin nimmt er klar das Wesen der Bewegung wahr, das Luft-Element (vāyo-dhātu). Zeitweilig könnte er darin ein Hitzegefühl spüren, welche das Feuer-Element (tejo-dhātu) ist. Oder er könnte eine harte Empfindung von Festem erfahren, das Erd-Element (pathavī-dhātu); oder eine zusammenhängende oder fließende Empfindung, das Wasser-Element (āpo-dhātu)29. Sogleich vergegenwärtigt er sich, dass es die Fähigkeit gibt, jedes dieser Objekte zu erfahren - Bewusstsein (viññāna); das Zusammentreffen der erfahrenden Fähigkeit mit dem Objekt - Kontakt (phassa); das Erfahren des "Geschmacks" dieses Objekts - Gefühl (vedanā); das Wahrnehmen des Objekts - Wahrnehmung - (saññā); die absichtliche geistige Aktivität bezüglich des Objekts - Wille (cetanā); das Hinwenden des Geistes auf das Objekt - Aufmerksamkeit (manasikāra).

Wenn er diese Gestaltungen in ihrer wahren Natur versteht, wird ihm auf diese Weise klar, dass es zwei Arten von Phänomenen gibt: (I) die, deren Natur es ist Objekte zu erkennen, das sind die geistigen Phänomene (nāma-dhammā), wie Kontakt, Gefühl, Wahrnehmung, Wille und Bewusstsein, welche in der Lage sind, Objekte zu erfassen; und (II) die, deren Natur es ist, keine Objekte zu erkennen, die materiellen Phänomene (rūpa-dhammā), wie die Elemente Erde, Wasser, Hitze und Luft, welche nicht in der Lage sind, Objekte zu erfassen.

Durch weitere Einteilung der geistigen Phänomene in die Kategorien Bewusstsein, Gefühl, Wahrnehmung, und geistige Gestaltungen (d.h. die übrigen geistigen Phänomene, geführt vom Willen) und durch deren Zusammenbringen mit stofflicher Form, wird er fähig sein, sie als die fünf Anhäufungen zu verstehen. Er wird auch verstehen, welche Wechselbeziehung diese fünf Anhäufungen untereinander haben.30

Das ist die Stufe des Wissens von der Abgrenzung des Geistes und der Materie (nāmarūpapariccheda-ñāna). Wenn dieses Wissen ordentlich zu arbeiten beginnt, wird der Geist des Meditierenden vom herkömmlichen Dasein abgewandt und in der letztendlichen Wirklichkeit etabliert - bei den geistigen und materiellen Phänomenen. Er weiß auch, dass alle Objekte, die seinen sechs Sinnesfähigkeiten begegnen, wie auch jene außerhalb seines Hauptmeditationsobjektes, nur geistige und materielle Phänomene sind. Wenn die Unwissenheit in Schach gehalten wird und weise Aufmerksamkeit zum Vorschein kommt, gibt es keinen Spielraum mehr zum Entstehen verdrehter Auffassungen bezüglich der geistigen und materiellen Phänomene, und daraus ergibt sich, dass die Einbildung keine Gelegenheit findet, über ein Selbst zu spekulieren. Der Meditierende wird persönlich realisieren, dass es keine Wesenheit von der Art gibt, die man als ein "Ich" oder als ein "Mein" betrachten könnte. Er sieht kein "Ich" oder "Selbst" oder ein "Wesen", aber dafür bloße geistige und materielle Phänomene. Er realisiert, dass es keinen Täter, keinen Erfahrer, keinen Denker, keinen Empfinder, kein Ego darin gibt. Die Auffassung von einem Selbst, die sich die ganze Zeit so anhaltend zeigte, schwindet dahin und die Natur des Nicht-Selbst erscheint. Er bekräftigt für sich selbst als persönliches Wissen die richtige Ansicht: "Es gibt in Wirklichkeit nur geistige und materielle Phänomene, aber nicht ein Selbst, ein Wesen oder eine Person - kein wirklich existierendes 'Ich'". Dies vollendet die Läuterung der Ansicht (ditthi-visuddhi).

Mit der weiteren Verfeinerung der Achtsamkeit und Bewusstheit und mit Unterstützung der Konzentration realisiert der Meditierende, dass infolge der Wirksamkeit ihrer entsprechenden Ursachen verschiedene geistige und materielle Phänomene ins Dasein treten. Er versteht, dass materielle Phänomene durch Ursachen und Bedingungen, wie Unwissenheit, Gier, Kamma, Nahrung, Geist und das Hitze-Element hervorgebracht werden. Er erkennt auch die Ursachen für die Erzeugung von geistigen Phänomenen. Er versteht die Lehre von der bedingten Entstehung (paticca-samuppāda) auf verschiedene Weise und realisiert das ununterbrochene Vorkommen der Kontinuität der geistigen und materiellen Phänomene auf der Basis des Ursache-Wirkungs-Verhältnisses. Schlussfolgernd aus dieser direkten Gegenwartswahrnehmung erkennt er, dass auch in der Vergangenheit solch ein Prozess bloßer geistiger und materieller Phänomene stattfand, miteinander verbunden durch das Prinzip von Ursache und Wirkung. Er versteht auch, dass es in der Zukunft ebenso sein wird. Er vergegenwärtigt sich: "Es gibt keinen Schöpfer, Erhalter oder Zerstörer dieser Welt, dennoch kommt die Welt nicht ohne Ursache zum Dasein. Es entsteht keine selbstgenügsame Seele, die unabhängig von Bedingungen besteht. Es bestehen nur natürliche Phänomene durch Ursachen und Wirkungen."

Alle Theorien über das Selbst werden erzeugt durch Unwissenheit über das abhängige Entstehen und verflüchtigen sich wie Tau in der Morgensonne, ersetzt durch die ausschließliche Wahrnehmung des Nicht-Selbst. Durch das Realisieren, dass es in allen drei Zeitformen - Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft - keine dauerhafte Person gibt, die man "Ich" bezeichnen kann, sondern nur ein Fortdauern von Phänomenen, verbunden als Ursachen und Wirkungen, befreit sich der Meditierende von allen Zweifeln bezüglich der drei Zeiten wie: "War ich in der Vergangenheit?" oder "Bin ich jetzt?" oder "Werde ich in der Zukunft sein?" Folglich wird diese Stufe als Läuterung durch Zweifelüberwindung (kankhā-vitarana-visuddhi) bezeichnet.

Wenn Achtsamkeit und Bewusstheit sich weiter entfalten, wird der Meditierende im Überblick die Entstehung und Auflösung der verschiedenen Gruppen geistiger und materieller Phänomene erkennen, die er in ihrem Erscheinen als Ursache und Wirkung verstanden hat. Durch ihre Sammlung in Gruppen stellt er fest, dass alle geistigen und materiellen Phänomene unbeständig sind wie folgt:

"Vergangene materielle Formen verschwanden in der Vergangenheit; sie blieben nicht bis in die Gegenwart erhalten; deshalb sind vergangene materielle Formen unbeständig. Gegenwärtige materielle Formen unterliegen der Zerstörung schon jetzt in der Gegenwart; sie werden nicht bis in die Zukunft fortdauern; deshalb sind gegenwärtige Formen unbeständig. Zukünftige materielle Formen werden in der Zukunft vergehen; deshalb sind sie auch unbeständig. Die inneren materiellen Formen, die zu meiner Verbindung der fünf Anhäufungen gehören, werden der inneren Zerstörung anheimfallen; deshalb sind sie unbeständig. Alle anderen materiellen Formen außerhalb von ihnen werden der äußeren Zerstörung anheimfallen; deshalb sind auch sie unbeständig."

Das selbe Denkmodell wird dann bei den in den vier geistigen Anhäufungen enthaltenen Phänomenen angewandt. Er folgert dann, dass diese geistigen und materiellen Phänomene als Objekte des ständigen Zerfalls von furchtbarer Natur sind und deshalb das Merkmal des Leidens haben. Schließlich folgert er, dass diese geistigen und materiellen Phänomene, in Gruppen betrachtet wie oben beschrieben, die Natur des Nicht-Selbst haben. Die geistigen und materiellen Phänomene, welche unbeständig und leidhaft sind, haben kein eigenes Wesen; sie sind durch niemanden beherrschbar; sie sind ohne ein Selbst.

So ist die wiederholte Betrachtung des auf verschiedene Weise enthüllten Merkmals des Nicht-Selbst die Betrachtung des Nicht-Selbst. Durch diese Methode wird die irrige Auffassung von einem Selbst durch die richtige Auffassung vom Nicht-Selbst ersetzt.31

Wenn die klare Überzeugung wächst, dass ausnahmslos jedes durch die sechs Sinnespforten eindringende Objekt nur entsteht, um kurz darauf zu vergehen, bestätigt sich der Meditierende ferner, dass es keine bleibende Essenz in den fünf Anhäufungen gibt, die man als ein "Selbst" oder ein "Ich" auffassen kann. Die Einsicht in die Entstehung der Anhäufungen bringt dem Meditierenden die klare Überzeugung von der Gehaltlosigkeit der Vernichtungsansicht (uccheda-ditthi), während die Einsicht in die Auflösung der Anhäufungen ihn von der Nichtigkeit der Ewigkeitsansicht (sassata-ditthi) überzeugt. Er wird zu verstehen beginnen, dass es kein Selbst, welcherart auch immer, gibt, welches Macht über das unaufhörliche Entstehen und Vergehen der Anhäufungen hat. Er wird auch realisieren, dass die unbeständigen und leidvollen Anhäufungen nicht zu einem beständigen Selbst gehören können. Die Betrachtung des Nicht-Selbst wird allmählich eine größere Tiefe erreichen und in Verbindung mit den Betrachtungen der Unbeständigkeit und der Leidhaftigkeit dabei helfen, die aufeinanderfolgenden Stufen des Einsichtswissens zu enthüllen.

Die Betrachtung des Nicht-Selbst kann bei der Festigung des Wissens vom Gleichmut gegenüber den Gestaltungen (sankhār´upekkhā-ñāna) besonders hilfreich sein. Gleichmut gegenüber den Gestaltungen kann sich nur festigen, wenn deren Leerheit oder ihre Natur des Nicht-Selbst voll verstanden wurde. Die Vergegenwärtigung, dass diese Gestaltungen, welche kein Wesen, keine Person und kein Selbst enthalten, eher machtlose und hilflose Elemente oder Abläufe sind, wird aufkommen. Außerdem kann man nur mit der vollendeten Realisierung des Wissens vom Gleichmut gegenüber den Gestaltungen befähigt werden, allen Gestaltungen zu entsagen und den Geist auf Nibbāna zu richten. Wenn die Betrachtung des Nicht-Selbst während des Anpassungswissens (anuloma-ñāna) - dem nächsten in dieser Serie entstehenden Wissen - greifbar wird, wird es ein Tor zur Leerheits-Befreiung (suññatā-vimokkha-mukha), und dementsprechend offenbart sich die Vision des Nibbāna in ihrem Aspekt der Leere (suññatā).

Wie die täuschenden Vorstellungen von Beständigkeit und Freude entsteht das Konzept vom Selbst auch in drei aufeinanderfolgenden Stufen: durch Wahrnehmung, Bewusstsein und Ansicht (saññā, citta, ditthi). Mit der totalen Vernichtung der zugrunde liegenden Tendenzen zu Ansichten (ditthānusaya) durch das Erreichen des Stromeintritts (sotāpatti) sind diese drei Stufen der Verzerrung gleichzeitig ausgerottet32. Doch wenn die zugrundeliegende Tendenz für den Dünkel "Ich bin" (mānānusaya) fortdauert, wird die Vorstellung "Ich bin" im Geist des Edlen Schülers verbleiben, bis er durch den Pfad der Arahantschaft davon befreit wird. Obwohl es keine tief verwurzelte Anhaftung wie eine voll ausgereifte Ansicht (ditthi) ist, ist dieser Dünkel "Ich bin" trotzem fähig, gleichsam wie eine Ansicht zu wirken, da es das Ego, wenn auch in abgeschwächter Weise bejaht.33

* * *



4. Die sechs Vorteile der Betrachtung des Nicht-Selbst
"O Mönche, wenn ein Mönch sechs Vorteile beachtet, sollte das für ihn genügen, die Wahrnehmung des Nicht-Selbst in Bezug auf ausnahmslos alle Phänomene zu festigen. Welche sechs?
  1. 'Ich werde mich mit nichts in der Welt identifizieren.'
  2. 'Eigendünkel wird in mir aufhören.'
  3. 'Besitzdenken wird in mir aufhören.'
  4. 'Ich werde mit ungewöhnlichem Wissen ausgestattet sein.'
  5. 'Ursächliche Phänomene werden von mir vollständig erkannt werden.'
  6. 'Ursächlich entstandene Phänomene werden von mir vollständig erkannt werden.'"34




5. ANMERKUNGEN ZUR BETRACHTUNG DES NICHT-SELBST
1 na + attā = an + attā = anattā. Hier ist na- eine negative Vorsilbe und das Wort attā bezieht sich auf das "scheinbare Selbst", die "Person", das "Wesen" usw. Die Pāli-Texte verwenden attā auch im Sinne von "(man) selbst", "Geist", "Körper", die gemeinsame Einheit der Anhäufungen während einer einzelnen Lebenszeit. In diesem Zusammenhang ist der Begriff eher ein herkömmlicher Ausdruck ohne irgend eine "ich"-bezogene Bedeutung. Der Buddha sagt: "Dies, Citta, sind weltliche Bezeichnungen, weltliche Worte, weltliche Ausdrücke, weltliche Vorstellungen, mit deren Hilfe der Tathāgata sich ausdrückt, ohne daran zu haften" (D.I,202). Siehe auch M.I,500.


2 Einige wichtige Quellen für die Lehre des Nicht-Selbst sind Anattalakkhana-Sutta (S.III,66-68), Alaggadupama-Sutta (M.I,130-42), Cūlasaccaka-Sutta (M.I,227-37), Mahārāhulovāda-Sutta (M.I,420-26) und Chachakka-Sutta (M.III,280-87). Wenn der Buddha bei bestimmten Anlässen auf die Frage nach dem Selbst stumm blieb, sollten wir verstehen, dass er aus einem von drei Gründen schwieg: (I) es war keine günstige Zeit zum Antworten; (II) die Frage war falsch formuliert; oder (III) die Frage war nicht auf Nibbāna ausgerichtet. Für das bemerkenswerteste Beispiel siehe S.IV,400-1.


3 Siehe M.I,230-33; A.II,164-65; S.IV,2, 3, usw.


4 Siehe M.I,258-64; S.IV,167, usw.


5 Siehe M.I,232-33; M.III,282-84; S.III,21-24.


6 S.IV,202-3. Siehe auch SA.III,82.


7 Die Worte "Einbilden" (maññati) und "Einbildung" (maññita) bedeuten, sich die fünf Anhäufungen - oder allgemeiner, irgend einen Aspekt des Erlebens - durch Begierde, Dünkel und Ansichten (tanhā-māna-ditthi) vorzustellen. Der Begriff papañcita "begriffliches Wuchern", genau darunter, ist praktisch sinnverwandt mit maññita (siehe MA.I,23). Papañcita ist das Vergangenheits-Partizip von papañceti ( aus derWurzel paci, im Sinne von "sich ausbreiten") und bedeutet hier die Idee von einer verdrehten Vorstellung.
Über den Begriff papañca lies "Concept and Reality in Early Buddhist Thought" (BPS, 1971) von Bhikkhu Ñānananda.


8 M.I,109-10; A.IV,9; Vism.XXII,60. Bezüglich der Art und Weise ihres allmählichen Verschwindens mit der Entfaltung des Pfades siehe Vism.XXII,64.


9 Siehe Sabbāsava-Sutta, den Abschnitt über samvara-pahāna (M.I,9-10) und den Kommentar dazu (MA.I,70-72).


10 M.I,111-12.


11 M.I,1. Siehe auch den Kommentar, MA.I,23, übersetzt in "Discourse on the Root of Existence", 2. Ausg. (BPS, 1992), pp.5-12 von Bhikkhu Bodhi.


12 Die drei Befleckungen - Begierde (tanhā), Dünkel (māna) und Ansichten (ditthi) - kommen in den unheilsamen Geisteszuständen vor, die in der Gier (lobha) wurzeln. Begierde (der Geistesfaktor der Gier) kommt in jedem Geisteszustand vor, der in der Gier wurzelt. Manchmal tritt sie ohne Dünkel und Ansichten auf, zu anderen Zeiten mit einem von beiden, aber niemals mit beiden gleichzeitig. Nichtsdestotrotz, obwohl sie getrennt vorkommen, können Dünkel und Ansichten einander verstärken. Die unmittelbaren Ursachen für die drei Einbildungen sind: Gefühl für die Einbildung der Begierde; Wahrnehmung für die Einbildung der Ansichten; und angewandtes Denken (vitakka) für die Einbildung des Dünkels (UdA.248).


13 S.III,46. Siehe auch SA.II,196-97.


14 S.III,105. Siehe auch SA.II,225; AA.II,575.


15 Das Khemaka-Sutta (S.III,126-32) erklärt, dass der Nichtwiederkehrer (anāgāmin) - der die Persönlichkeitsansicht (sakkāya-ditthi) und die sinnliche Leidenschaft (kāmarāga) ausgemerzt hat - trotzdem einen subtilen Rest der Einbildung "Ich bin" (asmimāna), des Verlangens "Ich bin" (asmichanda) und der zugrundeliegenden Tendenz (anusaya) zu egoistischem Denken beibehält. Obwohl die egoistische Ansicht "Dies bin ich" (ayam aham asmi) bezogen auf die fünf Anhäufungen nicht in ihm entsteht, hegt er dennoch eine subtile Vorstellung "Ich bin" in bezüglich der fünf Anhäufungen als Ganzes (samūhato pañcasu pi asmī ti adhigato: SA.II,231). Diese Vorstellung "Ich bin", erzeugt durch extrem feine Wirksamkeiten der Unwissenheit (avijjā), Werdenssehnsucht (bhava-rāga) und des Dünkels (māna), kann als die subtilste, grundlegendste Form der Einbildung "Ich bin" betrachtet werden, welche auf einer gröberen Ebene für die Selbst-Ansicht (atta-ditthi) des unerleuchteten Weltlings verantwortlich ist.


16 S.III,96.


17 SA.II,196.


18 Pm.I,135; PmA.298-99. Siehe auch M.I,135; S.III,204.


19 S.III,46.


20 Die Persönlichkeitsansicht wird im Detail behandelt im Anhang 4. Über die Persönlichkeitsansicht als eine Basis für die anderen Arten spekulativer Ansichten siehe S.IV,287.


21 Der Buddha zeigt oft, wie auf Grund der Hohlheit der Persönlichkeitsansicht die darauf gegründete Sicherheit und Stabilität zur Bestürzung des unerleuchteten Weltlings mit Leichtigkeit zu zerbrechen sind (z.B. M.I,8; 136-37; S.III,15-18, 42, 138, usw.).


22 Bestimmte Denker übertragen die Vorstellung vom Selbst auf Vergangenheit und Zukunft durch bloße logische Schlussfolgerung, während gewisse Denker sich für verschiedene Ansichten bezüglich des Selbst entscheiden als Ergebnis einer Missdeutung der Zeichen (nimitta), der Vertiefungen (jhāna), der höheren Erkenntnisse (abhiññā) usw., die durch die Entfaltung der Geistesruhemeditation erzeugt werden. (Siehe D.I,12-38 und den zugehörigen Kommentar DA.I,345-46.) Durch unkritisches Akzeptieren der Lehren solcher Theoretiker werden bei vielen anderen Leuten deren Ansichten über das Selbst gefestigt.


23 S.III,98.


24 Das Brahmajāla-Sutta zählt die zweiunddreißig Ewigkeitsansichten auf, die sich auf diese fünf Einbildungen gründen. Wenn man achtzehn die Vergangenheit betreffende Ewigkeitsansichten und fünf Ansichten über "Nibbāna in eben diesem Leben" hinzufügt, werden insgesamt fünfundfünfzig Ewigkeitsansichten in dieser Lehrrede erklärt (D.I,12-38).


25 Siehe Pm.I,159; It.43-44. Das Brahmajāla-Sutta arbeitet sieben Vernichtungsansichten heraus (D.I,34-35). Im Alagaddupama-Sutta (M.I,140-41) lehnt der Buddha die Anschuldigung, ein Vetreter der Vernichtung zu sein, als falsch und grundlos ab.


26 "Kaccāyana, die Wesen dieser Welt gründen gewöhlich ihre Ansichten auf zwei Dinge: auf Existenz und Nicht-Existenz ... Gefangen durch die Gewohnheit des Strebens, des Ergreifens und des Sich-Einrichtens in Systemen ist diese Welt.... 'Alles existiert' - dies ist ein Extrem; 'Nichts existiert' - dies ist das andere Extrem. Beide Extreme vermeidend lehrt der Tathāgata seine Wahrheit der Mitte." (S.II,17; III,134-35).
SA.II,25 erläutert hier jeweils die zwei Extreme als Ewigkeitsansicht und Vernichtungsansicht.


27 Im Pm.I,138 werden die für die Erzeugung von Ansichten (ditthi) verantwortlichen Ursachen und Bedingungen als achtfach zusammengefasst: (1) die fünf Anhäufungen; (2) Unwissenheit; (3) Kontakt; (4) Wahrnehmung; (5) angewandtes Denken; (6) unweise Aufmerksamkeit; (7) schlechte Gesellschaft und (8) das Anhören der Ansichten anderer. PmA.299-300 führt dafür Beispiele an.

Das Mittel zum Aufgeben falscher Ansichten vom Selbst besteht im Beenden falscher Einbildungen, wie vom Buddha in S.IV,24 erklärt wird: "Mönche, was auch immer man sich (als das Selbst) vorstellt, oder wo immer man sich (das Selbst) als existierend vorstellt, oder wovon auch immer (das Selbst) als außerhalb betrachtet wird, oder was auch immer als 'mein' betrachtet wird - all dies führt anderweitig zum Werden. Jedoch finden Wesen, die am Werden haften, welches die Natur der Veränderung hat, Freude an diesem Werden. Mönche, soweit es Anhäufungen, Elemente oder Sinnesbereiche gibt, stellt man sie sich nicht (als Selbst) oder als 'mein' vor, noch stellt man sich (das Selbst) als innerhalb oder außerhalb davon vor. Wenn man sich nichts derartiges einbildet, ergreift man nichts in der Welt. Nichts ergreifend wird man nicht durch Begierde erregt. Unerregt verwirklicht man noch im selben Leben vollkommen Nibbāna (durch die vollständige Auslöschung der Befleckungen). Dann entsteht einem das Wissen: 'Vernichtet ist die Geburt; das heilige Leben ist gelebt; getan ist, was zu tun war; nichts bleibt noch zu tun übrig.' Mönche, dies ist die geeignete Praxis, die einen befähigt, alle Einbildungen auszurotten."



28 Vism.XX,47. Siehe auch VismT.II,407; MA.II,94.


29 Der Begriff Element (dhātu) bezeichnet ein feinsinniges Phänomen ohne jegliche Natur eines Wesens oder eines Selbst. Dass Zusammenhalt (Wasser) subtiler ist als die anderen drei Grundelemente, mag anfangs schwieriger zu verstehen sein. Daher muss man beim Betrachten der Elemente bedenken, dass das Wasserelement die Wesensart hat, das Erdelement zusammenzuhalten. So wie Achtsamkeit, Konzentration und Weisheit sich entfalten, wird durch direkte Erfahrung Überzeugung aufkommen. Der Meditierende wird gemäß seiner Intelligenzstufe die verschiedenen Arten materieller Form verstehen, die sich aus den vier Grundelementen herleitet.


30 Wir wollen z.B. annehmen, dass ihr eure Aufmerksamkeit auf die Bewegung der Bauchdecke gerichtet haltet. Die Elemente Erde, Feuer, Luft oder Wasser, die ihr im gegenwärtigen Moment wahrnehmt, gehören zur Anhäufung der materiellen Form; der erkennende Geist gehört zur Anhäufung des Bewusstseins. Die Fähigkeit, das Objekt zu erkennen, die im selben Geistesmoment vorkommt, gehört zur Anhäufung der Wahrnehmung. Der gleichzeitig vorhandene Geistesfaktor, der das Objekt als angenehm, schmerzhaft oder neutral erlebt, gehört zur Anhäufung des Gefühls. Alle anderen zur gleichen Zeit bestehenden geistigen Phänomene, angeführt vom Willen, gehören zur Anhäufung der geistigen Gestaltungen (M.I,190). Wenn der Geist ein unstoffliches Objekt aufnimmt, gehört die unterstützende Herz-Basis (hadaya-vatthu) zur Anhäufung der Materie. Auf diese Weise wird in der Einsichtsmeditation klar, wie die fünf Anhäufungen immer gemeinsam gegenwärtig sind - eine Tatsache, die bestimmte Meditierende erst in einem vorgerückten Stadium realisieren. Dadurch wird es möglich, die fünf Anhäufungen als ein einheitliches Ganzes zu betrachten.


31 "ānanda, was ist die Wahrnehmung des Nicht-Selbst? Hier, ānanda, begibt sich ein Mönch in einen Wald oder an den Fuß eines Baumes oder in eine leere Hütte und überlegt so: 'Auge und Formen, Ohr und Geräusche, Nase und Gerüche, Zunge und Geschmäcke, Körper und Berührungen, Geist und Geistobjekte - all diese sind Nicht-Selbst.' Auf diese Weise lebt er in der Betrachtung der Natur des Nicht-Selbst in den sechs inneren und äußeren Sinnesbereichen. So, ānanda, ist die Betrachtung des Nicht-Selbst" (A.V,109).

In einigen Texten ist die Betrachtung des Nicht-Selbst erwähnt als „die Wahrnehmung des Nicht-Selbst im Leiden" - dukkhe annatta-saññā (D.III,243,251; S.V,133; A.III,85 usw.). Auch in den Kommentaren wird gesagt: „Die Wahrnehmung des Nicht-Selbst im Leiden ist die im betrachtenden Wissen des Nicht-Selbst entstandene Wahrnehmung" (dukkhe anatta-saññā´ ti anattānupassanā-ñāne uppanna-saññā; DA. II,757; AA.II,665).



32 Pm.II,80-81; Vism.XXII,68.


33 "Die zugrunde liegenden Tendenzen zur Leidenschaft ganz aufgegeben habend und die zugrunde liegenden Tendenzen zur Abneigung vertrieben habend, die zugrunde liegenden Tendenzen zu Ansicht und Dünkel 'Ich bin' entwurzelt habend, die Unwissenheit aufgegeben habend und Wissen erweckt habend, macht er noch in diesem Leben dem Leiden ein Ende" (M.I,47).

Der Kommentar (MA.I,186) erklärt: "Der Ausdruck 'zugrunde liegende Tendenzen zu Ansicht und Dünkel "Ich bin"' bedeutet die zugrunde liegende Tendenz zum Dünkel, welche einer Ansicht gleicht (ditthisadisam mānānusayam). Dies wird gesagt, weil die Tendenz zum Dünkel einer Ansicht darin gleicht, dass sie auf der Idee 'Ich bin' beruht."

Siehe auch Khemaka-Sutta (S.III,126-32) und Anmerkung 15 oben, und außerdem Mūlapariyāya-Sutta, 2. Teil (M.I,3-4).



34 A.III,444. Siehe auch AA.II,695.


Ñāṇārāma Mahāthera. Die Sieben Betrachtungen der Einsicht. © Theravadanetz.