Ñāṇārāma Mahāthera.Die Sieben Betrachtungen - Kapitel 6
- Die Betrachtung des Aufhörens




1. Die Bedeutung von Aufhören
2. Das Erscheinen des Aufhörens
3. Das Aufgeben des Hervorbringens
4. Die Vortreile der Betrachtung des Aufhörens
5. Anmerkungen zur Betrachtung des Aufhörens

Die Betrachtung des Aufhörens



(Nirodhānupassanā)

Einer, der die Betrachtung des Aufhörens entfaltet, gibt das Hervorbringen auf.

(Nirodhānupassanam bhāvento samudayam pajahati.)


1.Die Bedeutung von Aufhören
Aufhören (nirodha) kann auf dreifache Weise erklärt werden: I.) im Sinne der Person oder Wesenheit, welche aufhört; II.) als der Akt des Aufhörens; oder III.) als Zustand des Aufgehörthabens, d.h. die Beendigung der Kontinuität1. Wir wollen die Natur des Aufhörens in Beziehung zum vorliegenden Thema untersuchen.

Der Ehrwürdige ānanda, an der Seite des Buddha sitzend, stellte diesem folgende Frage:

"Ehrwürdiger Herr, es wird oft gesagt 'Aufhören, Aufhören'. Welche Phänomene sind das, die aufhören sollen, wenn dieser Begriff 'Aufhören' verwendet wird?"

"ānanda, materielle Form ist unbeständig, bedingt, abhängig entstanden, Objekt der Zerstörung, des Zerfalls, des Zusammenbruchs, des Aufhörens. Wegen ihres Aufhörens wird das Wort 'Aufhören' benutzt. Gefühl ist unbeständig ... Wahrnehmung ist unbeständig ... geistige Gestaltungen sind unbeständig ... Bewusstsein ist unbeständig ... Wegen seines Aufhörens wird das Wort 'Aufhören' benutzt."2

So verweist der Begriff nirodha auf das Aufhören, die Beendigung, Auflösung und Einstellung der bedingten Gestaltungen, die in den fünf Anhäufungen enthalten sind. Dieses Aufhören geschieht in zwei Hauptetappen:

  1. Die erste Etappe ist das gewöhnliche Aufhören von Gestaltungen, welches unaufhörlich geschieht, bedingt durch ihr stetiges Erscheinen. Dies ist der Begriff "zur stetigen Entstehung führendes Aufhören" (uppāda-nirodha). Wenn eine Anspielung auf das augenblickliche Aufhören der Phänomene vorliegt, wird es auch "zerstörendes Aufhören" (khaya-nirodha = Aufhören durch Zerstörung) genannt.3

  2. Die zweite Etappe ist die Ausrottung der Gestaltungen ohne eine Neuentstehung (samuccheda-nirodha oder anuppāda-nirodha)4. Diese Etappe ist gleichbedeutend mit dem überweltlichen Pfad, wo Nibbāna als das letztendliche Aufhören (accanta-nirodha) oder das befreiende Aufhören (nissarana-nirodha) realisiert wird.5

  3. In dieser Untersuchung der Betrachtung des Aufhörens wird viel von unserer Aufmerksamkeit dem augenblicklichen Aufhören der Gestaltungen gewidmet sein. Das letztendliche Aufhören, d.h. Aufhören ohne Neuentstehung, wird als spezielle Stufe behandelt, wenn die Betrachtung des Aufhörens ihre Vollendung erreicht.




2. Das Erscheinen des Aufhörens
Die Betrachtung des Aufhörens ist die wiederholte Untersuchung des Aufhörens von Gestaltungen mit Einsichtsweisheit6. Diese Betrachtung wird im Laufe der Einsichtsmeditation in verschiedenen Formen offenbar. Wir wollen zuerst durch eine Illustration erläutern, wie sie in ihrer elementarsten Form erscheint.

Der Einsichtsmeditierende, der das Heben und Senken der Bauchdecke als Hauptmeditationsobjekt beobachtet, schärft allmählich seine Achtsamkeit und Konzentration. Indem er dies tut, wird er fähig, bei jedem einzelnen Anheben der Bauchdecke Anfang und Ende klar zu bemerken; er betrachtet ebenfalls aufmerksam, dass zwischen Anfang und Ende der Hebebewegung die Mitteletappe des Anhebens ist. Unmittelbar dem Ende der Hebebewegung folgend, beginnt die Senkbewegung, welche unmittelbar darauf aufhört, ständig gefolgt von einem anderen Anheben, welches ebenfalls schnell endet. Diesem folgt ein weiteres Senken. Durch kontinuierliches Betrachten dieses Prozesses mit einem konzentriertem Geist hat der Meditierende Erfolg in der Betrachtung der Unbeständigkeit. In dieser Phase der Meditation kann das präzise und unabgelenkte Beobachten der Endpunkte jedes Hebens und Senkens als anfängliche Form der Betrachtung des Aufhörens angesehen werden.

Wenn der Meditierende seine Aufmerksamkeit weiter verfeinert, wird sein Einsichtswissen ihn befähigen, eine Anzahl aufeinanderfolgender "kleinerer Anhebungen" zu unterscheiden, die in einem ganzen Anheben der Bauchdecke zu finden sind. Jede dieser kleineren Hebungen hat ihr eigenes Entstehen und ihr eigenes Aufhören, was dem aufmerksamen Meditierenden nun klar wird. Ebenso kommen auch in jeder kompletten Senkbewegung der Bauchdecke eine Anzahl von aufeinanderfolgenden "kleineren Senkungen" vor, jede mit ihrem eigenen Entstehen und Aufhören. Auch diese unterscheidet der Meditierende. Allmählich wird der Meditierende fähig, in der selben Weise direkt das ununterbrochene Entstehen und Aufhören aller Objekte der sechs Sinnesfähigkeiten zu erkennen. Zum Beispiel da, wo vorher ein einziger einheitlicher Ton erkennbar war, nimmt er nun eine Serie getrennter Toneinheiten wahr, jede mit ihrem eigenen Entstehen und Aufhören. Auch bei Gedanken sind Entstehen und Vergehen in aufeinanderfolgenden Serien klar erkennbar. Wenn die Betrachtung der Unbeständigkeit tiefer und intensiver wird, dämmert auf diese Weise das Wissen vom Aufkommen und Untergehen der Phänomene herauf und kommt zur Reife, den Meditierenden befähigend, in jedem Moment klar zu erkennen, wie die ganze Erscheinungswelt dem Gesetz des augenblicklichen Entstehens und Aufhörens unterworfen ist. Zusammen mit der Betrachtung der Unbeständigkeit wächst und entfaltet sich gleichzeitig die Betrachtung des Aufhörens.

Auf der nächsten Stufe der Einsichtsreifung kommt die Betrachtung des Aufhörens zum Vorschein. Nun wird das Aufhören der Gestaltungen auffälliger als ihre Entstehung. Der Meditierende wird klar verstehen, wie jede Gestaltung, die er bemerkt, sich unverzüglich nach ihrem Entstehen auflöst. Manchmal mag er den Eindruck bekommen, dass sich das Objekt schon aufgelöst hat, ehe er es bemerkt hat. Er beobachtet auch, wie der betrachtende Geist im Prozess des Bemerkens des sich auflösenden Objektes ebenfalls zerfällt. Der Meditierende könnte meinen, seine Achtsamkeit hätte nachgelassen, aber in Wirklichkeit ist es ein Zeichen von Fortschritt. Nun hat er das Wissen vom Aufkommen und Untergehen überschritten und das Auflösungswissen (bhanga-ñāna) erlangt. Auf dieser Stufe wird sich die gegenwärtig erscheinende augenblickliche Auflösung der Gestaltungen, mit anderen Worten ihr Aufhören durch Auflösung (khaya-nirodha), stark in den Geist des Meditierenden einprägen. Dies bildet ein intensives Stadium in der Betrachtung des Aufhörens.7

Durch folgerndes Wissen wird der Meditierende als nächstes realisieren, dass auch in der Vergangenheit die Gestaltungen unaufhörlich in genau der selben Weise Objekt der Auflösung waren und dass auch in der Zukunft dieses augenblickliche Aufhören unvermindert fortfahren wird8. Er realisiert weiter mit der Kraft der direkten Erkenntnis, dass dies die grundlegende Natur der Dinge ist, nicht nur in seinen eigenen fünf Anhäufungen, sondern in der ganzen dreifachen Welt. Demgemäß durchschaut er die äuáerst erschreckende Natur der Gestaltungen, wodurch das Wissen vom Sichtbarwerdenen des Schreckens (bhayat´upattāna-ñāna) entsteht. ähnlich vergegenwärtigt er sich auf unterschiedliche Art die in den Gestaltungen enthaltenen umfassenden Gefahren. Dies ist das Wissen von der Gefahr (ādīnava-ñāna).

Darauf aufbauend entfaltet er Abwendung gegenüber den Gestaltungen - das Wissen von der Abwendung (nibbidā-ñāna). Es entsteht in ihm der innige Wunsch nach ewiger Beruhigung, dem Aufhalten dieser anhaltenden Gestaltungen, welche unablässig ihr Aufhören beibehalten9. Wenn der Meditierende das Aufhören direkt als die Auflösung der Gestaltungen realisiert, wendet sich dem zufolge durch folgerndes Wissen seine Aufmerksamkeit wiederholt dem Nibbāna als dem letztendlichen Aufhören zu. Dies kann als noch eine andere Variante der Betrachtung des Aufhörens angesehen werden10. Gemeinsam mit dieser Betrachtung wird der Wunsch nach Befreiung von den Gestaltungen stärker. So erreicht der Meditierende das Wissen von der Sehnsucht nach Befreiung (muñcitu-kamyatā-ñāna)11

Zeitweilig kann das Hauptmeditationsobjekt des Meditierenden vollständig verschwinden. Die Person, die Achtsamkeit auf den Atem praktiziert, hört auf, den Atem zu fühlen. Jemand, der auf das Heben und Senken der Bauchdecke achtet, hört auf, die Hebe- und Senkbewegung in der Bauchregion zu spüren. Jemand, der seine Aufmerksamkeit auf die Sitzhaltung richtet, verliert das Gefühl für das Vorhandensein des Körpers. Gelegentlich könnte man auch fühlen, dass der Kopf oder ein anderes Körperteil verschwunden ist. Eine der verschiedenen Berührungsempfindungen des Körpers könnte aufhören, so dass kein Berührungsgefühl mehr wahrzunehmen ist. Wenn der Meditierende die Betrachtung der Elemente entfaltet und diese als Erde, Wasser, Feuer und Luft analysiert und unterteilt, kann er die Wahrnehmung seiner Körpergegenwart verlieren. Bei einigen hört die gesamte Wahrnehmung von materieller Form auf und lässt nur den Geistfluss als Objekt der Aufmerksamkeit zurück12. Das Betrachten des Aufhörens der Wahrnehmung der verschiedenen Teile der physischen Form kann als noch ein anderer Aspekt der Betrachtung des Aufhörens angeführt werden.

Wenn sie die Wahrnehmung des Hauptmeditationsobjektes verlieren, werden manche Meditierende von Furcht überwältigt, während andere überzeugt sind, sie hätten die überweltliche Verwirklichung erreicht. Aber solche bizarre Erfahrungen sind nur zufällige Nebenprodukte, die eine Stufe des Einsichtsfortschritts auf weltlicher Ebene kennzeichnen. Wenn das Hauptmeditationsobjekt verschwindet, sollte sich der Meditierende weder von Furcht noch von Stolz beherrschen lassen. Statt dessen sollte er seine Aufmerksamkeit auf andere, für ihn noch klar erkennbare Objekte richten. Wenn keine Wahrnehmung von materieller Form möglich ist, sollte er seine Aufmerksamkeit auf seine gegenwärtig vorhandene Kontinuität des Bewusstseins lenken. Es ist möglich, dass, während er ein anderes Objekt betrachtet, sein voriges Meditationsobjekt wieder erscheint; in diesem Falle sollte er zu diesem vorigen Objekt zurückkehren. Wenn er aufhört, von den fünf Sinnestoren aus feststellbare Objekte wahrzunehmen und statt dessen nur die Kontinuität des Bewusstseins durch das Geistestor erfährt, sollte diese Bedingung als erhabene weltliche Stufe der Konzentration angesehen werden.

Wenn sich die Konzentration des Meditierenden vertieft, zeigt sich ihm unmittelbar das Aufhören jedes Objektes der Sinneswahrnehmung. Er versteht, wie eine Gestaltung bei ihrem Aufhören, ohne eine Möglichkeit des Wiedererscheinens, für immer aufhört. Was nachfolgend erscheint, ist eine ganz neue Gestaltung, welche auch sofort völlig aufhört13. Durch Erzeugung dieser direkten Vergegenwärtigung der augenblicklichen Ausrottung jedes erkannten Objektes und ebenfalls jedes erkennenden Geisteszustands offenbart die Betrachtung des Aufhörens klar die Natur des Nicht-Selbst in Bezug auf alle Gestaltungen. Jetzt durchschaut der Meditierende die folgende Wahrheit: Wenn es so ist, dass alle auf die fünf Anhäufungen bezogenen Gestaltungen in einem Moment komplett aufhören, gefolgt vom Erscheinen neuer Gestaltungen im folgenden Moment, und wenn im darauf folgenden Moment auch diese vollständig aufhören, dann kann es keine Substanz in diesen fünf Anhäufungen geben; sie sind völlig ohne etwas, das man für ein wirklich existentes "Ich" halten könnte14. So realisiert er die Leerheit der Gestaltungen, welche gänzlich und komplett ohne die Natur eines Selbst sind.15

Ein erfahrener Meditierender wird erkennen, wie durch allmähliche Entfaltung des durch Betrachtung gewonnenen Einsichtswissens die in seinem Geist verwurzelten Befleckungen mittels Ersetzen durch das Gegenteil aufhören16. Wenn die wirkliche Natur der Gestaltungen immer mehr durch das Licht des Einsichtswissens enthüllt wird, löst sich die Dunkelheit der Unwissenheit auf, überwältigt vom Glanz der Weisheit. Man merzt die falsche Ansicht aus, dass es ein "Ich", eine Person in den fünf Anhäufungen gibt. Die Begierde endet, da man nicht länger geneigt ist, an den Gestaltungen als "Ich" oder "Mein" zu haften. Der Dünkel verschwindet, weil man kein "Ich" ergreift als Maßstab des Urteils über sich und andere. Der Zorn auf die Wesen und Personen, mit denen man normalerweise in Konflikt gerät, wird aufgegeben. Man sieht nun eher eine Ansammlung von Gestaltungen in ihnen, anstatt konkreter Individuen. Der Geist ist völlig gereinigt von der verkehrten Auffassung, dass die Welt der Gestaltungen beständig, angenehm und schön ist. Man verliert das tief verwurzelte Verlangen nach einer länger währenden Kontinuität des Gestaltungsflusses.

Wenn der Meditierende sich vergegenwärtigt, dass diese Befleckungen - welche ihn im Kreislauf der Existenz festgehalten haben - durch Ersetzen durch das Gegenteil aufhören, wird er überzeugt, dass für ihn das Leiden des Samsāra nun abklingen wird. Durch Entfalten einer Einstellung von weiser Gelassenheit gegenüber den verschiedenen Gesichtspunkten des Leidens wie dem Alter, der Krankheit, dem körperlichen Schmerz und dem Tod kommt ihre quälende Natur zu einem Ende. Man ist nicht länger den Schlägen von Sorge, Jammer, Verzweiflung, Kummer, Stress, Frustration und ähnlichem Unglück ausgeliefert. Diese Masse von samsārischem Leiden, der man solange durch Haften an den fünf Anhäufungen unterworfen war, geht auch dahin durch Ersetzen durch das Gegenteil. Mit anderen Worten, der Meditierende erkennt, wie das Leiden aufhört, wenn der Kreislauf des bedingten Entstehens durch Aufhebung der Grundbefleckungen Unwissenheit und Gier ausgelöscht ist.17

Mit der Vervollkommnung der siebenunddreißig zur Erleuchtung führenden Erfordernisse (bodhi-pakkhiyā-dhammā) setzt ein gut geschärfter Prozess intensiver Einsichtsmeditation spontan ein. Dann erreicht die Betrachtung des Aufhörens ihre Vollendung auf einer unerwarteten, aber hervorragenden Stufe des Meditationsprozesses. Wenn man tief versunken ist in einer der drei Betrachtungen - der Unbeständigkeit, des Leidens oder des Nicht-Selbst - hört das Betrachtungsobjekt plötzlich total auf und für genau einen Moment, während man äußerst wachsam bleibt, lässt der Geist alle weltlichen Objekte los. Dann nimmt er sofort wieder das Meditationsobjekt auf und kehrt, große Freude empfindend, zur Einsichtsbetrachtung zurück. Was in diesem momentanen Wechsel im Bewusstsein stattfindet, ist das Öffnen des fleckenlosen und reinen Dhamma-Auges: "Was immer die Natur des Entstehens hat, all das hat die Natur des Aufhörens."18 Dies ist nichts anderes als das Erreichen des überweltlichen Pfades und Fruchtzustandes, welcher als Objekt die Realisierung des Nibbāna hat, das letztendliche Aufhören (accanta-nirodha) oder befreiendes Aufhören (nissarana-nirodha)19. In diesem Stadium vollendet man beim Durchdringen des Nibbāna als letztendlichem Aufhören das ausrottende Aufhören (anuppāda- oder samuccheda-nirodha) der Befleckungen in der Weise, dass sie in Zukunft niemals wieder erscheinen können.20




3. Das Aufgeben des Hervorbringens
Es ist gesagt worden: "Die Betrachtung des Aufhörens gibt das Hervorbringen auf." In Anbetracht der Grundnatur dieser Betrachtung kann der Begriff "Hervorbringen" (samudaya) hier als Ausdruck der Idee des Hervorbringens oder der Geburt von Gestaltungen verwendet werden21, denn wenn die Betrachtung auf die augenblickliche Auflösung beschränkt ist, hört man auf, ihre Entstehung zu beachten. Wenn das weite Feld, welches von der Betrachtung des Aufhörens umfasst wird, in Betracht gezogen wird und wenn wir bedenken, dass der Begriff "Hervorbringung" eine von der Betrachtung beseitigte Befleckung bezeichnet, können wir folgern, dass die "Hervorbringung" hier eine noch tiefere Bedeutung ausdrückt. Und zwar kann er die Bedingung bezeichnen, die für das wiederholte Erscheinen von Gestaltungen in der Zukunft verantwortlich ist, d.h. die Befleckungen, speziell Gier. Diese Annahme wird gerechtfertigt mit der Begründung, dass die wiederholte Beobachtung des Aufhörens von Gestaltungen zur Abwendung und zur Desillusionierung ihnen gegenüber führt, was nachfolgend die Gier auf die weitere Verlängerung der Kontinuität der Gestaltungen auslöscht. Also kann festgestellt werden, dass in diesem Zusammenhang alle für die fortlaufend auftauchenden Gestaltungen verantwortlichen Befleckungen im Begriff Hervorbringung (samudaya) eingeschlossen sind.22

Der Patisambhidāmagga-Kommentar erklärt, während er die Betrachtung des Aufhörens als die Betrachtung des Aufhörens der Leidenschaft interpretiert, Hervorbringung als das zum Vorscheinkommen der Leidenschaft.23 Ob nun Leidenschaft (rāga) als ein Begriff angesehen wird, der alle zur Entstehung gehörenden Befleckungen verkörpert, oder als ein Begriff für die Hauptbefleckung dieser Kategorie, es besteht Übereinstimmung mit der Interpretation des Begriffs, welche oben über die Bedeutung als Ursache für das anhaltende Entstehen von Gestaltungen im Kreislauf der Wiedergeburten gegeben wurde.

Im Licht der umfassenden Interpretation der Betrachtung des Aufhörens und des Entstehens, soweit angeführt, wird diese Betrachtung als Verschmelzung aller drei Betrachtungen - der Unbeständigkeit, des Leidens und des Nicht-Selbst - erklärbar. Der Patisambhidāmagga sagt, dass alle diese drei Betrachtungen wirksam werden mit dem Auflösungswissen (bhanga-ñāna), welches eine wichtige Stufe in der Betrachtung des Aufhörens ist24. In der selben Arbeit, wo die Betrachtungen eingeteilt wurden nach der Art der Anhaftung, welche sie auslöschen, erscheint die Betrachtung des Aufhörens wieder als eine Verschmelzung aller drei Betrachtungen oder mindestens von zweien25. Aber in Anbetracht der Grundnatur der Betrachtung des Aufhörens als Aufmerksamkeit auf das Vergehen der Gestaltungen wäre es besser, sie hauptsächlich als eine Variante der Betrachtung der Unbeständigkeit zu behandeln.

An vielen Stellen, wo die Betrachtungen der Unbeständigkeit, der Leidenschaftslosigkeit und des Aufhörens zusammen vorkommen, analysiert der Kommentar die letzten zwei mit identischen Begriffen. Er unterteilt Leidenschaftslosigkeit in Zerstörungsleidenschaftslosigkeit (khaya-virāga) und in letztendliche Leidenschaftslosigkeit (accanta-virāga), während er Aufhören in Zerstörungsaufhören (khaya-nirodha) und in letztendliches Aufhören (accanta-nirodha) einteilt. Der Kommentar erklärt hier, dass sich Zerstörungsleidenschaftslosigkeit und Zerstörungsaufhören beide auf die augenblickliche Auflösung der Gestaltungen beziehen, während letztendliche Leidenschaftslosigkeit und letztendliches Aufhören sich beide auf das Nibbāna beziehen26. Daher erscheinen diese zwei Betrachtungen identisch. Außerdem zeigen auch Leidenschaft und Hervorbringung (von Leiden), welche die zwei jeweils durch diese beiden Betrachtungen ausgelöschten Befleckungen sind, eine große Ähnlichkeit zwischen ihnen, da beide Synonyme für Begierde (tanhā) sind.

Trotzdem hat der Patisambhidāmagga- Kommentar versucht, einen Unterschied zwischen diesen beiden Betrachtungen zu zeigen. Bei der Erklärung zum Verzeichnis der Atemachtsamkeit (ānāpānasati-mātikā) sagt dieser Kommentar, dass die Betrachtung der Leidenschaftslosigkeit die zur Loslösung von den Gestaltungen befähigende Einsicht ist (d.h. hier die Leidenschaftslosigkeit durch Ersetzen durch das Gegenteil nachdrücklich betonend), währenddessen die Betrachtung des Aufhörens eine stärkere Vielfältigkeit der Einsicht ist, fähig, ein Aufhören der Befleckungen zu ermöglichen.27

In seiner erläuternden Bemerkung über das Verständniswissen (samma-sana-ñāna) sagt der selbe Kommentar, dass Leidenschaftslosigkeit die totale Überlegenheit über den existierenden Zustand ist, während das Aufhören das komplette und endgültige Auslöschen dieses Zustandes ist28. Was hier unter Leidenschaftslosigkeit verstanden wird, ist die vorübergehende Zerstörung der Phänomene (khaya-virāga). In diesem Licht betrachtet geht die Betrachtung des Aufhörens durch Zerstörung der Phänomene tiefer als die Betrachtung der Leidenschaftslosigkeit durch Zerstörung der Phänomene.

Beim Beschreiben von Einsicht durch Atemachtsamkeit enthält der Patisambhidāmagga bei der Darlegung der Betrachtung des Aufhörens eine spezielle Analyse von der Lehre der bedingten Entstehung, nicht aber bei der Darlegung der Betrachtung der Leidenschaftslosigkeit. Laut Kommentar ist dies ein Anzeichen von Überlegenheit der ersten Betrachtung über die letztere.29

Der Patisambhidāmagga- Kommentar zeigt ferner, dass die Betrachtung des Aufhörens tiefer geht als die der Leidenschaftslosigkeit, weil die erste den Ursprung oder die Quelle der Leidenschaft ausrottet, während die letztere nur die Leidenschaft beseitigt.

Sowohl die letztendliche Leidenschaftslosigkeit als auch das letztendliche Aufhören beziehen sich, wie vorher erwähnt, auf das Nibbāna. Wenn die Betrachtung der Leidenschaftslosigkeit als eine Variante der Betrachtung des Leidens angesehen wird und die Betrachtung des Aufhörens als eine Variante der Betrachtung der Unbeständigkeit, dann folgt daraus, dass die zwei Betrachtungen verschiedene Tore zur Befreiung (vimokkha-mukha) werden, da sie unterschiedliche Gesichtspunkte des Nibbāna enthüllen. Folglich schwenkt die letztendliche Leidenschaftslosigkeit in dem Moment, wenn die Betrachtung der Leidenschaftslosigkeit ihren Höhepunkt erreicht, auf dem Wege der wunschlosen Befreiung (d.h. Befreiung ohne ein Sehnen nach Vergnügen) zum Nibbāna ein; das letztendliche Aufhören dagegen schwenkt auf dem Wege der zeichenlosen Befreiung (d.h. Befreiung ohne ein bestimmtes Anzeichen von Beständigkeit in den Gestaltungen) im Moment des Höhepunktes der Betrachtung des Aufhörens zum Nibbāna ein.30

Praktisch gesprochen wird in der Einsichtsmeditation Leidenschaftslosigkeit sehr oft als Vergehen der Leidenschaft oder als Gleichmut erlebt, während das Aufhören häufig auf verschiedene Weise als das Aufhören der Gestaltungen realisiert wird.

Die Achtsamkeit auf den Tod verlässt niemals den Meditierenden, der ernsthaft in der Betrachtung des Aufhörens engagiert ist. Darum befleißigt er sich mit wachsendem Eifer der Einsichtsmeditation in der Hoffnung, dabei das vernichtende Aufhören der Gestaltungen zu erreichen.

* * *



4. Die Vorteile der Betrachtung des Auförens
"Mönche, durch die Entfaltung und Pflege der Betrachtung des Aufhörens kann man eine von zwei Früchten erwarten: entweder das endgültige Wissen der Arahantschaft noch in diesem Leben oder, wenn noch ein paar Befleckungen verbleiben, die Stufe des Nichtwiederkehrers."31



5. Anmerkungen zur Betrachtung des Aufhörens
1 Nirujjhati, nirujjhanam, vā nirodho. Ni + rodha = nirodha. "'Es hört auf' bedeutet, es existiert nicht (nirujjhatī ti na bhavati)" (PmA.362).


2 S.III,24-25.


3 "Aufhören ist zweifach - das augenblickliche (vorübergehende) Aufhören und das endgültige (dauernde) Aufhören" (AA.II,722).


4 Das endgültige Aufhören aller Gestaltungen geschieht mit dem Erlöschen der fünf Anhäufungen beim Ableben des Arahant. Trotzdem ist auch im Stadium des überweltlichen Pfades das Bündel der von jedem Pfad beseitigten Befleckungen ausgestorben. Folglich sind auch diese Befleckungen (welche auch Gestaltungen sind), ebenso wie die anderen Gestaltungen, die aus ihnen hervorgegangen wären, zum Erlöschen gebracht. In diesem Sinne wird der überweltliche Pfad als Aufhören durch Ausrottung (samuccheda-nirodha) oder als Aufhören ohne weiteres (erneutes) zum Vorschein kommen (anuppāda-nirodha) angesehen.


5 Fünf Arten des Aufhörens werden im Pm.II,221 aufgezählt. Dies sind in der Tat die selben wie die fünf Arten der Leidenschaftslosigkeit. Zu diesen siehe Kap. 5, Anm.1 oben.


6 "Die Betrachtung des Aufhörens ist die Betrachtung des Aufhörens der Gestaltungen" (DT.74). Siehe auch Anm. 7 (I) direkt darunter.


7 (I) "Betrachtung des Aufhörens (nirodhānupassanā) bedeutet Betrachtung der Auflösung (bhanga)" (PmA.215).

(II) "Wie wird die Weisheit, die die wiederkehrende Auflösung der Phänomene durch Nachdenken über das Sinnesobjekt sieht, in Einsichtsweisheit umgewandelt? Der Geist, der materielle Form als Objekt nimmt, entsteht und vergeht. Über die Auflösung dieses Objektes nachgedacht habend, betrachtet man die Auflösung des nachdenkenden Geistes selbst mittels des nachfolgenden Geistes" (Pm.I,57). Siehe außerdem PmA.182; Vism.XXI,13.



8 Pm.I,58. Siehe außerdem PmA.183; Vism.XXI,21.


9 (I) "Hier, ānanda, ein Mönch ... überlegt so: 'Dies ist das Friedvolle, dies ist das Erhabene, das ist die Stillung aller Gestaltungen, das Aufgeben aller Grundlagen der Existenz, die Vernichtung der Begierde, das Aufhören, Nibbāna.' Dies wird Wahrnehmung des Aufhörens genannt." (A.V,110-11).

"Die Wahrnehmung des Aufhörens ist die Wahrnehmung, die aus dem Wissen des Betrachtens der Auflösung hervorgeht" (AA.II,665).

(II) "Das Wissen vom Friedenszustand: 'Entstehen ist furchtbar, Nicht-Entstehen ist Sicherheit ... Anhäufung von Kamma ist weltlich, Nicht-Anhäufung ist unweltlich ... Das Kennzeichen ist Gestaltungen, die Kennzeichenlosigkeit ist Nibbāna'" (Pm.I,59-60).



10 (I) "Die Gefahr in materieller Form erkannt habend, wird er begierig nach dem Aufhören der materiellen Form, durch Vertrauen er ist entschlossen, und sein Geist ist gut gefestigt darin; er übt so: 'Ich werde einatmen in Betrachtung des Aufhörens in der materiellen Form'; und er übt so: 'Ich werde ausatmen in Betrachtung des Aufhörens in der materiellen Form'" (Pm.II,192).

(II) "Er entfaltet die Wahrnehmung des Aufhörens: er entfaltet die Wahrnehmung, die daduch aufkommt, dass sie sich das Aufhören der Gestaltungen zum Objekt macht. Sie interpretieren dies auch als die Betrachtung, die dadurch aufkommt, dass sie sich Nibbāna zum Objekt macht" (AA.I,287).



11 "Daher sagt er: 'Bei der Betrachtung des Aufhörens bildet man Aufhören aus, man lässt nicht entstehen'; dafür ist der Wunsch nach Befreiung stark geworden" (DT.74).


12 "Dann bleibt nur noch Bewusstsein übrig, geläutert und gereinigt" (M.III, 242).
13 "Oder die Betrachtung des Aufhörens ist die Betrachtung: 'Diese Gestaltungen hören eben jetzt auf; sie entstehen nicht durch zukünftige Hervorbringung'" (DT.74).


14 "Meghiya, wenn man mit der Wahrnehmung der Unbeständigkeit ausgestattet ist, wird die Wahrnehmung des Nicht-Selbst gefestigt" (Ud.37; A.IV,358). Siehe auch A.IV,353 und M.I,424-25.


15 "Nach dem Nachdenken über das Sinnesobjekt betrachtet man die Auflösung (bhanga), sich dabei die Leerheit der Gestaltungen klarmachend: dies ist die in höherer Weisheit bestehende Einsicht" (Pm.I,58). Für weitere Erläuterungen siehe Vism.XXI,23,24; PmA.183.


16 "'Er betrachtet das Aufhören': man sollte verstehen, dass dies durch Einsicht erklärt wird, durch deren Fähigkeit, Befleckungen zum Aufhören zu bringen" (PmA.347-48).


17 "Unwissenheit hört auf mit dem Aufhören ihres Ursprungs ... mit dem Aufhören ihres Hervorbringens ... mit dem Aufhören ihrer Entstehung ... mit dem Aufhören ihrer Erzeugung ... mit dem Aufhören ihrer Ursache ... mit dem Aufhören ihrer Bedingung ... mit der Erweckung von Wissen ... mit dem Auftreten des Aufhörens" (Pm.II,193).


18 Virajam vītamalam dhammacakkhum udapādi: Yam kiñci samudaya-dhammam sabbam tam nirodhadhamman ti. M.I,501; S.V,423, usw.


19 "Was immer es gibt, was ins Dasein getreten ist, bedingt, abhängig entstanden - das Entrinnen daraus ist Aufhören" (It.61; Pm.II,221).


20 Um festzustellen, ob eine Person wirklich Nibbāna verwirklicht hat, sind mehrere Dinge zu berücksichtigen: (I) Ob sofort nach einer solchen Erfahrung unwillkürlich eine Art des Rückschauwissens (paccavekkhana-ñāna) auftritt. (II) Ob man, beginnend mit einem von beiden, das Wissen der Bestimmung des Geistig-Materiellen oder das Wissen des Auf- und Untergangs in sich erwecken und für eine vorherbestimmte Zeit aufrechterhalten kann in der Aufeinanderfolge Einsichtswissen und Fruchterreichung. (III) Ob bei der Verwirklichung von jedem Einsichtswissen die zehn in Kap.1, Anm.10 aufgezählten Merkmale vorliegen. Wenn bei bestimmten Anlässen eine Erfahrung gemacht wird, die der Verwirklichung des Nibbāna teilweise ähnlich ist, muss man ganz wachsam sein, um bezüglich dieses Stadiums zu einem Urteil zu kommen.
21 So wird es in PmA.94 ausgedrückt: "Samudaya ist die Hervorbringung von Gestaltungen, durch das Erkennen ihrer gerade eben stattfindenden Auflösung in der Betrachtung der Auflösung." Siehe auch Vism.XXI,16-17 und Vism.T.II,442.


22 PmA.65. Dies scheint auf Pm.I,57-58 und Vism.XXI,16-17 zu beruhen.


23 "Samudaya verweist auf die Hervorbringung von Leidenschaft... " (PmA.94 = PmA.183).


24 "Er betrachtet die Auflösung. Wie betrachtet er? Er betrachtet als unbeständig, nicht als beständig; er betrachtet als Leiden, nicht als Glück; er betrachtet als Nicht-Selbst, nicht als Selbst" (Pm.I,57-58).


25 Im Pm.II,46 wird gesagt, dass die Betrachtungen der Unbeständigkeit und des Nicht-Selbst drei Formen des Anhaftens (upādāna) beseitigen und die Betrachtung des Leidens nur eine, während die Betrachtung des Aufhörens alle vier Formen des Anhaftens beseitigt. Dies kann man als Hinweis dafür annehmen, dass die Betrachtung des Aufhörens eine Verschmelzung entweder aller drei Basis-Betrachtungen oder der Betrachtung des Leidens mit einer der beiden anderen ist.
26 MA.II,249; AA.II,722; Vism.VIII,235; Vism.T.I,28-81.


27 PmA.347-48.


28 PmA.177.


29 PmA.362. Siehe außerdem Pm.I,192ff.
30 Pm.II,65-66.


31 S.V,133.



Ñāṇārāma Mahāthera. Die Sieben Betrachtungen der Einsicht. © Theravadanetz.