1. Einleitung
2. Zerstreuung im Alltag
3. Auf der Suche nach Wahrheit
4. Die Bedeutung von Sammlung
5. Einsicht und Buddhas Befreiungslehre

Wolfgang Krohn . Achtsamkeit - Sammlung und Vertiefung ein Weg zur Erkenntnis

Herausgeber
Theravadanetzwerk der DBU
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© D.B.U. 2005

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1. Einleitung
Sammlung und Vertiefung im Mittelpunkt der buddhistischen Praxis. Vor dem Hintergrund dieser Geisteszustände stellt sich die Frage, in wie weit wir der Wahrheit näher kommen können, und ob es überhaupt möglich ist. Dem gesammelten steht der zerstreute Geist gegenüber, der meistens mit unheilsamem Handeln in Worten, Werken und Gedanken verbunden ist. Vieles Reden fördert die Zerstreutheit des Geistes. Mit ihr verbinden sich Leidensformen, die erst später sichtbar werden. Es ist sehr leicht, unmerklich in die Weiten des seichten Redens hineinzugeraten. Sehen, Riechen, Hören ,Schmecken ,Tasten und Denken, möglichst viel und gleichzeitig, ist der Inbegriff geistiger Zerstreutheit.

2. Zerstreuung im Alltag
Für uns ist die Zeit des verstärkten Mediengebrauchs, wie Zeitung, Telefon, Fernsehen und Bücher voll im Gange und keineswegs abgeschlossen. Hinzu kommt noch die Computerwelt, die für die geistige Verfassung des Zukunftsmenschen eine besondere Rolle spielen wird. Vor kurzem war in einer bekannten Tageszeitung zu lesen: „Deutschland entwickelt sich zu einer Plaudergesellschaft“. Zur Zeit ist nämlich das Handy-Telefon der meist gebrauchte Gegenstand, miteinander global zu kommunizieren, eine wahre Errungenschaft, aber keineswegs förderlich für die Sammlung des Geistes, zum Leidwesen vieler, die ihre Ruhe und Konzentration haben möchten.

Noch vor wenigen Jahren wurde das Klingeln des Telefons nur in Gebäuden vernommen. Heute läutet es überall, manchmal sogar von mehreren Geräten gleichzeitig, in Bussen, U-Bahnen, S-Bahnen, Fernzügen, Autos und Schiffen. Selbst am Strand und im Walde bleibt der Mensch von Anrufen nicht verschont. In einer normalen Unterhaltung erschöpft sich irgendwann einmal der Gesprächsstoff. Beim Handy ist das anders, weil es so bequem und der Spaß riesengroß ist. Wenn nun die anderen Medien noch hinzukommen und man sich unkontrolliert allem aussetzt, kann sich jeder vorstellen, wie es um die Geistesverfassung steht. Außerdem gehört Rücksichtnahme zu den Tugenden, die leider immer weniger gepflegt werden. Alles hat seinen Sinn, doch kommt es darauf an, wie wir mit den Situationen umgehen. Wenn wir alle Gebrauchsgegenstände achtsam und maßvoll benutzen, wird die Geistesverwirrung zu vermeiden sein.

3. Auf der Suche nach Wahrheit
Der Mensch ist auf der Suche nach Wahrheit. Da er es nicht besser weiß, sucht er sie innerhalb der sechs Sinne. Sein Denken ist darauf ausgerichtet. Diese Tätigkeit wird zu einer seiner der Hauptbeschäftigungen. Man müsste meinen, dass der Mensch zufrieden ist, wenn er auf diesem Wege zu Erkenntnissen gelangt ist. Das ist aber keineswegs der Fall, weil einerseits Erkenntnisse vergehen, andererseits immer neue hinzukommen. So scheinen die Suche und die damit verbundenen Aktivitäten vergeblich zu sein. Wir wollen diesem Phänomen der Glückfindung und Wahrheitssuche im folgenden nachgehen.

Wenn andere unwissend und unglücklich sind, können auch wir nicht glücklich sein. Esse ich dick belegte Brote und sehe hungernde Kinder oder höre Schreie gequälter Menschen und Tiere, liege ich im warmen Bett, während andere unter Brücken und in Hauseingängen schlafen, gehe ich mit gefüllter Geldbörse an Mittellosen vorüber, so ist es wenig wahrscheinlich, dass bei mir Freude aufkommt. Vielleicht denke ich: „Warum lässt Gott das zu?“. Mit verstärkter Wahrnehmung und Mitgefühl scheint unser Leben auf die Dauer unbefriedigend zu sein. Darum suche ich nach Auswegen, um Wahrheit und Glück zu finden.
Seit einigen Jahrzehnten hat die edle Lehre des Buddha auch im Abendland Fuß gefasst und begeistert viele Menschen. Neben den aus dem Pali, dem Chinesischen und dem Tibetischen übersetzten Schriften sind insbesondere die Meditationspraktiken populär geworden. Wie es auf dem Gebiet der Kunst im Laufe der Jahrtausende unterschiedliche Stile gegeben hat, so haben sich auch im Laufe der Zeit unterschiedliche Meditationsmethoden und -formen herausgebildet. „Meditation, Wegweiser zum wahren Glück und Wissen“ ist vielen ein Begriff geworden. Hier seien nun die buddhistische Meditation, ihre Vorbedingungen und ihre Ziele näher beleuchtet.

Der Edle Achtpfad untergliedert sich in: Tugend (sīla), Sammlung (samadhi) und Weisheit (pañña). Wie in der Lehrrede "Angst und Grauen" (M 4) im BM 03/99 dargestellt, ist einsamer Aufenthalt im wilden Walde schmerzlich, wenn der Geist unrein ist. Je mehr Tugend geübt und verwirklicht ist, desto reiner wird der Geist, ein unabdingbarer Prozess für richtiges und erfolgreiches Meditieren.

4. Die Bedeutung von Sammlung
Sammlung ist geistige und körperliche Beruhigung . Alles geistige und körperliche Gestalten tritt in den Hintergrund, während man sich auf einen einzigen Gegenstand wie z.B. den Atem konzentriert. Daraus entwickelt sich die Einspitzigkeit des Geistes. Die Wahrnehmung der sechs Sinne tritt zurück, wobei gelegentlich die 5 Hemmungen (nivarana), 1.Sinnliches Begehren, 2. innerer Groll oder Unmut, 3. Mattheit und Müdigkeit, 4. Aufgeregtheit und 5. Zweifel als Störfaktoren des Geistes auftreten können. Wenn die Sinnenzügelung gänzlich verwirklicht ist und die 5 Hemmungen während der Sammlung nicht mehr auftreten (im Hintergrund bleiben sie aber aktiv) ist der Geist für den Eintritt in die Vertiefungen bereit.

Es sind 9 Weilungen (Schauungen) zu nennen, die in der Lehrrede D 33 wie folgt beschrieben sind: Wegen des Umfanges kann in diesem Beitrag nur auf die ersten vier eingegangen werden, die aber für die Erleuchtung die wichtigsten sind.

•in sinnend gedenkender ruhegeborener seliger Heiterkeit nach Auflösen des Wünschewahrnehmens verweilt er in der ersten Vertiefung.
•Innere Meeresstille, Einheit des Gemüts, von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene selige Heiterkeit verweilt er in der zweiten Vertiefung.

Nach Auflösung des Sinnens und Gedenkens verweilt er in der dritten Vertiefung.
•Gleichmütig, einsichtig, klar bewusst; nach Auflösung der inneren Heiterkeit, erreicht er die dritte Stufe der Versenkung und verweilt darin.
• Nachdem er die leidlose, freudlose, gleichmütig einsichtige vollkommene Reine erreicht hat, verweilt er in der vierten Vertiefung. Auflösung des Ein- und Ausatmens.

Es folgen die die 5. Bis 9. Weilung. Bereich des grenzenlosen Raumes (D 15), Aufhebung der Vielheitswahrnehmung (A 1-35), Bereich der Nichtirgendetwasheit, Bereich der Weder-Wahrnehmung-noch-Nichtwahrnehmung und Aufhebung aller Wahrnehmungen und Nichtwahrnehmungen.

Die vorgenannten Samadhi-Bereiche sind sehr verführerisch, weil Ihnen ein Höchstmaß an Glück und Wohl, aber weniger Kenntnis vom Unbedingten zugrunde liegt Es handelt sich um die verschiedenen Götterwelten mit ihren Eigenarten bis hinauf zu der Brahmawelt. Siehe "Khevattha". Viele der Erleuchtung Suchenden hatten durch Üben und Sammlung Zugang zu jenen Götterwelten. Leider müssen sie nach langer schwer erreichbaren Samadhi-Zustände wieder aufgeben, weil sich ihre Kraft erschöpft hatte und sich der Zugang zu den Vertiefungen mangels Konzentrationskraft schließlich völlig verschloss. In der Lehrrede "Rechtes Streben" (M 26) werden zwei Meister genannt, Alara Kalama und Uddaka Ramaputta, an die sich Gautamo vor seiner Erwachung vertrauensvoll um Belehrung gewandt hatte. Sie verfügten über die hohe Konzentrationskraft und hatten die Fähigkeit, ohne Schwierigkeiten in die neun Vertiefungszustände einzugehen. Die Einsichten eines Erwachten konnten sie allerdings nicht verwirklichen, weil sie in den Glückszuständen stecken blieben d und sich nicht weiter mit Einsichtsmerkmalen der Erleuchtung befassten. Deshalb verließ en Gautamo die Lehrer schon nach kurzer Zeit und wandte sich unbefriedigt von deren Lehren ab. Er wanderte nun allein weiter, um das vollkommene Heil zu erreichen. Es folgten sieben Jahre geistigen Ringens ohne sichtlichen Erfolg

In Verbindung mit den vier Versenkungsstufen kann das dreifache Wissen, welches bei anhaltender Sammlung und Konzentration in ganz bestimmten Zeitabläufen entsteht, entwickelt und verwirklicht werden. Da heißt es in "Angst und Grauen" M 4:

Nachdem ich in der 4. Versenkungsstufe verweilte und mein Gemüt beruhigt war, gereinigt, geläutert frei von Begierde, sanft, fügsam, fest und unerschütterlich, wandte ich meinen Geist zu der Erinnerung und Erkenntnis meiner früheren Daseinsformen und ich erinnerte mich an viele Existenzen bis in frühere Weltperioden zurück. Dieses erste Wissen erlangte ich in der ersten Nachtwache. Unwissenheit verschwand Licht trat auf während ich so unermüdlich eifrig und fest entschlossen weilte.

Dann richtete ich meinen Geist auf das Vergehen und Wiederentstehen der Wesen. Ich sah die Wesen abscheiden und wiedererscheinen je nach ihren Werken. Dieses zweite Wissen erlangte ich in der mittleren Nachtwache. Unwissenheit verschwand Wissen trat auf, während ich so unermüdlich, eifrig und fest entschlossen weilte.

Dann richtete ich meinen Geist auf die Erkenntnis von der Vernichtung der Anwandlungen und erkannte der Wahrheit gemäß, worin das Übel und die Anwandlungen bestehen, was ihr Ursprung ist, wie sie beendet werden können und welches der Weg zu ihrem Ende ist. Während ich dies erkannte, wurde mein Geist frei von Anwandlungen sinnlichen Begehrens, der Lebensgier und der Unwissenheit.

5. Einsicht und Buddhas Befreiungslehre
Die Buddha-Lehre ist eine keine Verweilungs- sondern eine Erlöschungslehre. Der Befreiungsprozess kann sich nur dann vollziehen, wenn, wie oben aufgezeigt, zusätzlich zu den Vertiefungen die Einsichten entwickelt werden. Mit anderen Worten, wenn die vier Wahrheiten gänzlich erkannt und durchschaut sind, hat sich der Einsatz für die hohe Sammlungsfähigkeit gelohnt, wenn nicht, sind weitere unendliche Daseinsrunden die Konsequenz. Darum kann samadhi immer nur in Bezug auf Weisheit als sinnvoll angesehen werden. Die Verweilungszustände sind ein Phänomen bedingten Entstehens. So wie sie entstanden sind, müssen sie auch vergehen. Das ist das eigentlich Leidvolle und Unbefriedigende. Deshalb werden sie vom Buddha auch nicht als Ziel empfohlen.
Sammlungs- und Konzentrationsfähigkeit müssen erarbeitet werden. Sie fallen niemanden in den Schoß. Die sechste Stufe des Achtpfades "Rechtes Mühen" (4 padhana) hilft uns, das Unheilsame zu überwinden und das Heilsame zu entfalten.

Vielleicht mag man nun zum Schluss kommen, dass das vorher geschilderte sehr hoch und im praktischen Leben wenig hilfreich ist. Dem ist keineswegs so! Achtsamkeit und Sammlung sind bei jeder Gelegenheit anwendbar und umsetzbar. Jede Tätigkeit im Stehen, Sitzen, Gehen und Liegen kann in den Zustand des gesammelten Geistes eingebettet sein. Eine wichtige Stütze in der praktischen Umsetzung ist das Loslassen von Eigenschaften, die einen Teil unserer Zerstreuung ausmachen. Das Überprüfen der eigenen und lang gepflegten Gewohnheiten wäre da z.B. zu nennen. Prioritäten setzen ermöglicht eine bessere Selbstorganisation. Auf unnötige Kraftverschwendung achten, die sich bei unseren vielen Tätigkeiten einstellen. Energie steht uns nur begrenzt zur Verfügung. Um so sparsamer müssen wir damit umgehen. Es gibt viele weitere Aspekte, praktisch und ohne Mühe ruhig und gesammelt in der Welt zu wandeln. Zur Orientierung und Hilfestellung und für die Übungsanweisungen zum Thema Sammlung und Vertiefung sei auf folgende Pali-Texte hingewiesen:

•D 33 „Übereinkunft“
•M 4 „Angst und Grauen“
•M 126 „Leerheit“
•M 44 „Sakko“
•M 118 „Achtsame Ein- und Ausatmung“
•D 22 „ Die vier Pfeiler der Einsicht“