Ñāṇārāma Mahāthera. Die Sieben Betrachtungen - Einleitung



1. Der Einsichtspfad
2. Die drei Stufen der Einsicht
   2.1 Die Stufe der Betrachtung
   2.2 Die Stufe des Verstehens
   2.3 Die Stufe der Einsichtserreichung
3. Die sieben Betrachtungen
4. Anmerkungen zur Einleitung


Namo tassa bhagavato arahato sammāsambuddhassa



Einleitung


1. Der Einsichtspfad
Überall sind die Menschen ununterbrochen angestrengt mit dem Versuch beschäftigt, Glück zu erreichen und sich vom Leid zu befreien, doch ungeachtet solcher Mühe verfehlen sie wiederholt ihr Ziel. Am Ende geben sie auf, mit nichts als Frustration, Jammer und einem Gefühl innerlicher Leere. "Oh weh!" lamentieren sie, "Wir sehnten uns nach Glück, wir häuften Reichtum und Besitz an, wir folgten jedem Weg des Vergnügens, den wir finden konnten. Aber obwohl wir hier und dort Genuss gesucht haben, ist es uns immer misslungen, echten Herzensfrieden zu erlangen. Wir setzten uns einer ziel- und sinnlosen Reise aus! Wir erwarteten Glück, doch wir finden uns beraubt, verlassen mit leeren Illusionen."

Warum ernten so viele solch eine bittere Enttäuschung als Frucht all ihrer Bemühungen? Der Grund ist, dass sie nicht wissen, was echtes Glück ausmacht. Was die Menschen als Glück betrachten, ist nur ein angenehmes Gefühl, entstanden in ihrem eigenen Geist. Unbewusst der wahren Natur von Gefühlen täuschen sie sich im Denken: "Ich fühle dieses Angenehme." Sie klammern sich an ihre unbedeutenden Annehmlichkeiten und suchen immer mehr Freuden, ohne zu wissen, dass gerade ihre Suche den Schauplatz ihrer Enttäuschung, ihres Jammers und ihrer Verzweiflung darstellt.

Freudige Gefühle haben keinen beständigen Kern. Sie sind kurzlebig; sie können nicht gezwungen werden, unsere Wünsche zu befriedigen; wir haben keine Gewalt über sie. Wenn eine Freude dahinschwindet, streben die Menschen sofort nach neuen Freuden, neue Genussmöglichkeiten suchend. Nicht einmal für einen Moment halten sie inne, um zu überlegen, dass ihr Weg der Aktivität in Wirklichkeit eine Menge Leiden schafft. Auch wird ihnen nicht bewusst, dass ihre Gier nach illusorischen Freuden eben gerade zu noch größeren Leiden in der Zukunft führt. Während des blinden Schwelgens in einer Menge Leiden werden sie auf diese Weise zum Sklaven der Begierde, welche der Reihe nach eine weitere Anhäufung von Elend hervorbringt. So rollt das schreckliche Rad der Existenz ohne Unterbrechung weiter, immer mehr Leiden bringend, niemals echtes Glück oder Frieden.

Der Buddha, der unsere existentielle Lage perfekt verstand, hat für uns die wahre Natur sowohl von Leid wie auch von Glück erklärt. Er erklärte, dass die bedingte Existenz in ihrer wahren Natur voller Leiden ist. Gier, wurzelnd in der Unwissenheit über die wahre Natur der Existenz, ist die Ursache des Leidens. Die Ausrottung der Gier bringt die Befreiung vom Leiden und das Erlangen wahren Glücks. Das Mittel zur Erreichung der Leidensfreiheit liegt in der Ausbildung des Edlen Achtfachen Pfades, welcher alle Befleckungen, die in Gier und Unwissenheit verankert sind, abschneidet.

Jeder Einzelne muss persönlich durch Ausrottung der geistigen Befleckungen das wahre Glück verwirklichen. Da Leiden im eigenen Geist geboren wird, muss es im eigenen Geist überwunden werden. Keiner kann die Leidensfreiheit auf einen anderen übertragen. Um diese Absicht zu verwirklichen, muss man zuerst das Leiden und seine Ursache verstehen und dann den Weg zur Befreiung entwickeln. Einsichtsmeditation oder vipassanā-bhāvanā ist der Aktionsplan, der in letztendlicher Befreiung gipfelt. Abgesehen von der Entwicklung der Einsicht gibt es keinen anderen Weg zur Befreiung vom Leid. Das Pāliwort vipassanā (Einsicht) bedeutet "besonderes und mannigfaltiges Sehen" (visesa-vividha-passanā); das ist das Verständnis der wahren Natur der Phänomene durch direkte, unmittelbare Erfahrung1. Bhāvanā (Meditation) bedeutet "geistige Entwicklung". Daher bedeutet vipassanā-bhāvanā die Entwicklung von wahrer Einsicht in die Natur der Dinge als Erfahrung im eigenen Geist.

Mehrere Grunderfordernisse müssen erfüllt sein, bevor man die Praxis der Einsichtsmeditation mit Erfolg durchführen kann. Wir wollen kurz die wichtigsten davon betrachten.

Für einen Anfänger ist es wünschenswert, die Meditation unter der Leitung eines erfahrenen Meditationsmeisters zu praktizieren. Auch dann, wenn der Student sehr gelehrt in den buddhistischen Schriften sein mag, können, während er einen ungewohnten Pfad entlang wandert, viele Ereignisse auftauchen, wo er Anleitung und Rat braucht2. Daher ist die persönliche Aufsicht eines vollendeten Meisters empfehlenswert. Wenn jemand nicht direkt unter einem Meditationsmeister praktizieren kann, sollte er ihn gelegentlich bei Besuchen oder durch Korrespondenz über seine Meditationsfortschritte informieren, um die benötigte Anleitung zu bekommen3. Wenn solche Anleitung von einem qualifizierten Meister nicht zu bekommen ist, dann muss man die notwendige Motivation selbst erwecken und Anleitung in zuverlässigen Büchern suchen. Für die Zeitdauer, wo die Lehre Buddhas noch in der Welt existiert, ist es unsere Pflicht, den maximalen Nutzen aus der beglückenden menschlichen Geburt, die uns zuteil wurde, zu ziehen.

Vor Beginn der eigentlichen Meditation ist es wichtig, einen zufriedenstellenden Grad an Abgeschiedenheit zu erreichen durch Beseitigung der physischen und geistigen Hindernisse (paḷibodha), die einen ununterbrochenen Fortschritt von meditativer Entwicklung verhindern4. Das bedeutet nicht, dass Meditation nur wegen der anwesenden Hindernisse nicht praktiziert werden kann. Gewisse Meditierende praktizieren inmitten vieler Hindernisse und erreichen eindrucksvolle Resultate durch Nutzung ihrer Schwierigkeiten als Ansporn für Tatkraft. Jedoch eben solche Meditierende müssen zumindest vorübergehend während ihrer Praxisperioden die Haupthindernisse überwinden. Andererseits sollte der Meditierende, welcher genügend Abgeschiedenheit zur Entwicklung der Praxis gefunden hat, vorsichtig sein, um nicht aufgrund der Freiheit von äußeren Hindernissen der Trägheit und Selbstzufriedenheit zum Opfer zu fallen.

Von Anfang an sollte sich der Meditierende fest in der geeigneten ethischen Norm (sīla) etablieren. Der Laienanhänger sollte die fünf, acht oder zehn Regeln für Laien beachten; die Novizen oder vollordinierten Mönche sollten an ihren jeweils zutreffenden Gesetzen ihrer Klosterorden festhalten. So können sie Reinheit des Verhaltens (sīla-visuddhi) erreichen. Gleichzeitig sollten sie die anderen für Meditationserfolge entscheidenden Prinzipien sorgfältig entwickeln: Zurückhaltung bei den sechs Sinnesfähigkeiten (indriyasaṁvara-sīla) - Augen, Ohren, Nase, Zunge, Körper und Geist; das Wissen vom rechten Maß beim Essen (mattaññutā); und die Beseitigung der Befleckungen durch Wachsamkeit (jāgariyānuyoga). Da der Einfluss der Befleckungen durch diese Maßnahmen geschwächt wird, wird man befähigt, die Meditation mit Erfolg fortzusetzen.

Vor der Entscheidung für ein Hauptmeditationsobjekt mag es hilfreich sein, den Geist für eine längere Meditationspraxis zu konditionieren, beginnend mit den vier Besinnungen (auch die vier Basis- oder Schutzmeditationen genannt): die Besinnung auf die Vorzüge des Buddha, die Meditation über liebende Güte, die Aufmerksamkeit auf die Unreinheit des Körpers und die Achtsamkeit auf den Tod5. Der Meditationsmeister sollte wachsam darauf sehen, ob der Praktizierende eine angeborene Eignung für die Entwicklung von Geistesruhe-(samatha) Meditation hat.

An dieser Stelle können gewisse Eignungen und Anlagen aus vorhergehenden Leben zum Vorschein kommen. Falls der Meditierende findet, dass er leicht Geistesruhe-Meditation entwickeln kann, sollte er die Konzentration durch ein geeignetes Meditationsobjekt fortgesetzt vertiefen. Dadurch sollte er die fünf Hemmungen6 unterdrücken und versuchen, eine meditative Versenkung (Jhāna)7 zu erreichen. Vermag er erfolgreich ein Jhāna erreichen, sollte er es sorgfältig sichern und erreichen, dass er es beherrscht. Das befähigt den Meditierenden, Einsichtsmeditation mit Jhāna-Konzentration als Basis zu starten. Alternativ dazu kann er, anstatt sofort auf Einsichtsmeditation abzuschwenken, nach Erreichen des ersten Jhāna die Geistesruhemeditation durch die nachfolgenden höheren Jhānas weiterentwickeln und erst später zur Einsichtsmeditation übergehen8.

Wer es zu schwierig findet, Geistesruhemeditation bis zum Vertiefungsstadium zu entfalten, oder wer keine geeignete Umgebung oder keine Zeit hat, um entsprechend zu praktizieren, mag beginnen, nach Erreichen einer Grundstufe von Konzentration durch eines der vier vorher erwähnten Hauptmeditationsobjekte oder Achtsamkeit auf den Atem, Einsichtsmeditation zu entwickeln. Diesen Weg können jene gehen, die eine angeborene Eignung für Einsichtsmeditation haben. Wenn ein Objekt der Einsichtsmeditation so gepflegt wird, werden die Hemmungen durch "Ersetzen durch das Gegenteil" (tadanga-pahāna)9 überwunden, was Konzentration (samādhi)10 zur Folge hat.

Diese Bedingung, bei der der Geist durch das Entfernen der fünf Hemmungen gereinigt worden ist, entweder durch die Praxis der Geistesruhemeditation oder durch Einsichtsmeditation, wird als Läuterung des Geistes (cittavisuddhi) bezeichnet. Auf dieser Basis folgt Einsichts-Weisheit nach.



2. Die drei Stufen der Einsicht
Eine kleine Lehrrede des Buddha aus dem Nikāya zeigt uns eine kurze Übersicht des Weges der Einsichtsmeditation. Hier beschreibt der Buddha die möglichen Fragen eines Jhāna-Erreichers ohne Einsichtsweisheit an jemanden mit Einsichtsweisheit zusammen mit den Antworten, die der Einsichtsmeditierer geben würde:

  1. "Freund, wie sollten Gestaltungen betrachtet werden?"11 "Freund, Gestaltungen sollten auf diese und jene Weise betrachtet werden."
  2. "Wie sollten Gestaltungen verstanden werden?" "Gestaltungen sollten in dieser und jener Weise verstanden werden."
  3. "Wie sollten Gestaltungen mit Einsicht gesehen werden?" "Gestaltungen sollten mit Einsicht auf diese und jene Weise gesehen werden."12

Durch diese katechetische Methode wird ein dreifaches Verfahren der Unterweisung offenbart, welches den drei Stufen im Prozess der Einsichtsmeditation entspricht. Dies sind die Stufen: I) Betrachten, II) Verstehen, III) Einsicht gewinnen.

Nun wollen wir kurz untersuchen, wie der Einsichtsweg auf dieser Basis erklärt werden kann.



2.1 Die Stufe der Betrachtung
Der mit Einsichtsmeditation beschäftigte Meditierende hat zuerst die letztendlichen Bestandteile des wirklich Erkennbaren durch das gewählte Meditationsobjekt zu erkennen. Wir wollen als Beispiel einen Meditierenden hernehmen, der die Meditation über die vier Elemente (dhātu-vavatthāna) entfaltet. Er beginnt mit der Bestimmung der Körperteile, die zum Erdelement gehören. Er richtet zuerst seine Aufmerksamkeit auf das Erdelement der Haare, welches durch seine alles durchdringende Härte offenbar wird. Durch weitere Verstärkung seiner Aufmerksamkeit versteht er die grundlegende Natur des Erdelements im Haar, die die feste oder harte Qualität vom groben Erscheinen des Haares unterscheidet. Er versteht auch auf ähnliche Weise die grundlegende Natur des Wasser-, Feuer- und Windelements im Haar. So fortfahrend mit jedem Körperteil, bestimmt er die in allen zweiunddreißig Körperteilen innewohnenden Grundelemente. Er vergegenwärtigt sich, dass alle diese aus den vier Elementen zusammengesetzten Körperteile die Materie (rūpa) bilden. Das Wissen oder Element des Bewusstseins, das mit jedem dieser Objekte zum Vorschein kommt, ist Geist (nāma). So bestätigt sich der Meditierende durch direkte Erkenntnis, dass Materie eine Art der Realität ist und Geist eine andere. Dieses Stadium ist bekannt als das Wissen von der Unterscheidung von Geist und Materie (nāmarūpa-pariccheda-ñāṇa). Mit diesem gereinigten Wissen zusammen entsteht die gereinigte Einsicht: „es gibt in Wirklichkeit nur Geist und Materie, kein selbständiges Wesen, nichts wirklich Persönliches." Dem gemäß wird dieses Stadium auch als Läuterung der Ansicht (ditthi-visuddhi) bezeichnet.

Während der Meditierende seine Aufmerksamkeit weiter ausweitet, werden ihm die verantwortlichen Bedingungen zur Erzeugung der geistigen und materiellen Phänomene klar. Das ist bekannt als das Wissen hinsichtlich des Erkennens der Bedingungen (paccayapariggaha-ñāṇa). Durch klare Vergegenwärtigung, wie lebende Wesen als eine Serie von Ursachen und Wirkungen existieren, merzt der Meditierende in diesem Stadium alle Zweifel betreffs der Existenz von Wesen in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aus. Dieses hat die nächste Hauptstufe des Fortschritts zur Folge: Läuterung durch Zweifelsüberwindung (kankhāvitarana-visuddhi).

Dieses vollendet die Stufe der Betrachtung. Was im Grunde genommen passiert, besteht darin, dass der Meditierende die besonderen Eigenschaften (paccatta-lakkhana) von jedem dieser zum Meditationsobjekt gehörenden bedingten Phänomene erkennt und dem gemäß beginnt, sich zu vergegenwärtigen, dass es im endgültigen Sinn kein Wesen oder Individuum gibt, sondern nur eine Fortsetzung von bedingten, in einer ursächlichen Kette vorkommenden Phänomenen. Dieses Stadium wird als volles Verständnis des Erkannten (ñāta-pariññā) bezeichnet13.



2.2 Die Stufe des Verstehens
Hier untersucht der Meditierende die psycho-physische Ansammlung der Phänomene, die sich ununterbrochen in einer Ursache-Wirkung-Serie fortsetzt. Diese von verschiedenen Gesichtspunkten aus und in bestimmten festen Gruppen (kalāpa) betrachtend, beginnt er zu realisieren, dass sie durch und durch mit dem Merkmal der Unbeständigkeit (anicca) geprägt sind, weil sie einer ständigen Entstehung und Auflösung unterliegen. Er vergegenwärtigt sich auch, dass all diese Phänomene, die wegen dieser Unbeständigkeit dem Elend und der Furcht unterworfen sind, mit Leiden (dukkha) durchsetzt sind. Da es kein wirkliches Wesen in diesem unbeständigen und erbärmlichen psycho-physischem Prozess gibt, keinen Kern, der als ein Selbst angesehen werden könnte, folgert er, dass es ein Nicht-Selbst (anattā) ist. Dieses anfängliche Begreifen des Faktes, dass alle Gestaltungsgruppen nach Prüfung ausnahmslos durch diese drei Merkmale - Unbeständigkeit, Leidhaftigkeit und Selbstlosigkeit - geprägt sind, wird das Verständniswissen (sammasana-ñāṇa) genannt.

Mit der weiteren Reifung des Verständniswissens beginnt der Meditierende klar zu sehen, wie alle Gestaltungen, auf die er sich konzentriert, mit ihren Ursachen und Bedingungen direkt vor seinen Augen entstehen und zerfallen. Darauf bezogen stellt er fest, dass die drei Merkmale unveränderlich gültig sind. Das ist das ungereifte Stadium des Wissens vom Auf- und Untergang der Phänomene (taruna-udayabbaya-ñāṇa). Zu diesem Zeitpunkt können die Unreinheiten der Einsicht (vipassan´upakkilesa), wie z.B. das Erscheinen von Licht, offenbar werden14. Der Meditierende realisiert, dass das Getäuschtwerden durch diese Unreinheiten ein Abweichen vom richtigen Pfad der Meditationsentwicklung darstellt und dass der richtige Pfad das Festhalten am gewählten Meditationsobjekt ist. Das ist die Läuterung von Wissen und Einsicht hinsichtlich von Pfad und Nicht-Pfad (maggāmaggañāṇadassana-visuddhi). Wenn er die Unreinheiten der Einsicht durch klare Unterscheidung zwischen Pfad und Nicht-Pfad beseitigt, dann dämmert ihm ziemlich kraftvoll das ausgereifte Wissen bezüglich des Auf- und Untergangs der Phänomene (balava-udayabbaya-ñāṇa). Das ist der Anfang der Läuterung des Wissens und der Einsicht vom Weg (patipadāñāṇadassana-visuddhi).

Zu diesem Zeitpunkt wird die Stufe des Verstehens (sammasana) vollendet. Hier ist man in der Lage, die entscheidende Einsicht bezüglich der drei allgemeinen oder generellen Merkmale (sāmañña-lakkhana) aller Gestaltungen zu gewinnen - nämlich ihre Unbeständigkeit, Leidhaftigkeit und selbstlose Natur - die man mit zunehmender Klarheit durchdringt. Diese Stufe ist deshalb benannt als die des vollen Verstehens durch Erforschung (tīrana-pariññā)15.



2.3 Die Stufe der Einsichtserreichung
Diese Stufe zeigt, wie Einsicht über das Wirken der drei Merkmale in allen Gestaltungen auf einem intensiven Niveau durch weises Beobachten und auf verschiedene Weise ausgebildet wird. Das gereifte Wissen vom Auf- und Untergang aller Phänomene deckt sowohl die Hervorbringung, als auch die Auflösung der Gestaltungen auf. Wenn dieses Wissen sich vertieft, beginnt der Meditierende an einem bestimmten Punkt nur noch die Auflösung der Phänomene zu sehen, und nicht ihre Entstehung. Dies ist die Stufe des Auflösungswissens (bhanga-ñāṇa). Darauf folgend erwirbt man das Wissen vom Sichtbarwerden des Schreckens (bhayat´upatthāna-ñāṇa), welches dem Meditierenden eine deutliche Überzeugung von der Furchtbarkeit im unaufhörlichen Auflösen der Gestaltungen gibt; das Wissen von der Gefahr (ādīnava-ñāṇa), wenn man sieht, dass die Gestaltungen voll von Mängeln sind; und das Abwendungswissen (nibbidā-ñāṇa), welches das Abwenden von den Gestaltungen bewirkt. Danach entwickelt man das Wissen vom Wunsch nach Befreiung (muñcitu-kamyatā-ñāṇa), das einen veranlasst, Freiheit von diesen Gestaltungen zu suchen, gefolgt vom Wissen durch weises Erwägen (patisankhā-ñāṇa), welches wiederholend als Hilfsmittel zur Gewinnung der Freiheit auf die drei Merkmale zurückblickt. Diesem folgt das Wissen vom Gleichmut gegenüber den Gestaltungen (sankhār´upekkhā-ñāṇa). Sobald das Wissen von den drei Merkmalen deutlicher wird, führt es zum Anpassungswissen (anuloma-ñāṇa), in dem der Geist sich als Antrieb zum Durchbruch ins Todlose auf eines der drei Merkmale fest einstellt. Danach, die Gestaltungen als Objekt des Wissens verlassend, überschreitet man die "irdische Abstammung" und wechselt in die "Abstammung eines Edlen". Wenn das Wissen vom Abstammungswechsel (gotrabhū-ñāṇa) entsteht, folgt sofort erstmalig die Erkenntnis vom Frieden des Nibbāna.

Anschließend vervollständigt der Meditierende die Realisierung der Edlen Wahrheiten beim Erreichen des Wissens vom Stromeintrittspfad (sotāpattimagga-ñāṇa). Damit rottet er drei Fesseln zusammen mit ihren feinsten Wurzeln aus: die falsche Ansicht von einer Persönlichkeit (sakkāya-ditthi), den Zweifel {{vicikicchā}), und die Neigung zu Riten und Ritualen (sīlabbata-parāmāsa). Als Resultat des überweltlichen Pfades gewinnt er als nächstes das Frucht- oder Verwirklichungswissen (phala-ñāṇa), welches ihn den glückseligen Frieden des Nibbāna erfahren lässt. Der Verwirklichung folgend entsteht das Rückschauwissen (paccavekkhana-ñāṇa), mit dem der Meditierende auf den Pfad, die Frucht und das Nibbāna zurückblickt, ebenso blickt er auf die überwundenen und die verbliebenen Befleckungen zurück16.

Mit dem Erreichen des Anpassungswissens ist die zum Weg gehörende Läuterung von Wissen und Einsicht (patipadāñāṇadassana-visuddhi) vollendet. Im Schema der sieben Läuterungen ist die Erreichung des Pfadwissens als die Läuterung durch Wissen und Einsicht (ñāṇadassana-visuddhi) benannt.

Die Phase der vom Auflösungswissen bis zum Anpassungswissen reichenden Praxis kann als die Stufe der Einsichtserreichung betrachtet werden, welche das totale Verständnis durch Aufgeben (pahāna-pariññā) vervollkommnet17. In diesem Stadium nimmt das Aufgeben der Befleckungen durch das "Ersetzen durch das Gegenteil" (tadanga-pahāna) den Vorrang ein, jeder Einsichtsfaktor dient der zeitweiligen Beseitigung der einzelnen Befleckung oder Bewusstseinstäuschung, welcher er direkt entgegengesetzt ist18.

Der vorangegangene Bericht skizziert den Einsichtspfad von einem allgemeinen Gesichtspunkt aus. Obwohl dieses grundlegende Modell allgemein ist, können Abweichungen in den individuellen Erfahrungen der Meditierenden entsprechend ihrem Temperament vorkommen. Für einen Meditierenden mögen bestimmte Stufen besonders deutlich sein, während andere Stufen nicht so deutlich sind; bestimmte Stufen können schnell Vollendung erreichen, während andere langsam vorankommen. Manchmal kann aus verschiedenen Gründen die Aufmerksamkeit gestört sein, was einen Rückschritt hervorruft. Folglich sollte man respektvoll den Anleitungen des Meditationsmeisters bezüglich der einzigartigen Erfahrungen, die man durchlaufen mag, folgen. Wir können hier nur allgemeine Richtliniegeben.

Da wir später die Sache mehr von der praktischen Seite her erklären, sollte der Leser die allgemeinen Instruktionen, soweit sie dargeboten wurden, im Gedächtnis behalten.



3. Die sieben Betrachtungen
Die Texte analysieren den Einsichtspfad auf verschiedene Weise. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Aufmerksamkeit auf die klassische Methode zu lenken, welche den Einsichtsfortschritt als eine Serie von Betrachtungen (anupassanā) beschreibt.

Das Pāli-Wort "anupassanā" bedeutet: "wiederholt auf verschiedene Weise sehen".19 Der Begriff anupassanā wurde in verschiedenen Zusammenhängen benutzt. So werden die vier Grundlagen der Achtsamkeit Betrachtungen genannt (z.B. kāyānupassanā, Betrachtung des Körpers); bestimmte erreichte Einsichtswissen werden so beschrieben (z.B. udayabbayānupassanā-ñāṇa, Betrachtungswissen des Auf- und Untergangs, und bhangānupassanā-ñāṇa, Betrachtungswissen der Auflösung)20. Tatsächlich kann jede Form des Einsichtswissens als eine Betrachtung angesehen werden.

Praktisch gesehen sind die beiden Begriffe vipassanā und anupassanā sehr ähnlich in ihrer Bedeutung, aber im vorliegenden Zusammenhang verweist anupassanā auf spezielle, zum Reifen des Einsichtswissens beitragende Arten von Aufmerksamkeit. Diese Betrachtungen sind nicht mit den festgelegten Einsichtswissen identisch; sie sind eher erkennende Auswertungen, die zum Entstehen und zur Entfaltung dieser Einsichtswissen beitragen. Manchmal können spezielle Betrachtungen die Rolle der erreichten Einsichtswissen übernehmen, aber oft kann es notwendig sein, dass bestimmte Betrachtungen abwechselnd für ein einzelnes Einsichtswissen arbeiten, um es reifen zu lassen. Umgekehrt kann die selbe Betrachtung in verschiedenen Stadien der Einsichtsentwicklung auftauchen, um so verschiedene Arten von Einsichtswissen zu unterstützen.

Hinweise auf verschiedene Einsichtsbetrachtungen können verstreut in den Lehrreden Buddhas gefunden werden. Obwohl der Begriff anupassanā nicht in allen Texten auftauchen mag, gehören die beschriebenen Praktiken offenbar zu dieser Kategorie.

Eine Sammlung von achtzehn Betrachtungen ist im Patisambhidāmagga enthalten, einer Abhandlung im Nikāya des Pitaka21, wo wir auch die grundlegenden Modelle der anerkannten Reihenfolge von Einsichtswissen finden. In vielen Passagen dieses Werkes ist Einsicht im Zusammenhang mit dieser Betrachtungsserie beschrieben, welche der Kommentar als "die achtzehn Haupteinsichten" (atthārasa-mahā-vipassanā) bezeichnet. Manchmal sind auch Serien von zehn, neun, sieben oder drei dieser Betrachtungen erwähnt22. Kommentare und Unterkommentare wie z.B. der Visuddhimagga haben diesbezüglich gelegentlich dieser Gruppe von achtzehn eine hervorragende Stellung eingeräumt23. Eine auffallende Besonderheit in dieser Betrachtungsserie ist, dass bei der Entfaltung jeder Betrachtung eine Befleckung mit dem Ersetzen durch das Gegenteil beseitigt wird.

Die ersten sieben dieser achtzehn Haupteinsichten sind verschiedene Male als eine selbständige Gruppe im Patisambhidāmagga dargestellt, was zeigt, dass sie eine hohe Stellung unter den anderen Betrachtungen einnehmen24. Die Kommentare und Unterkommentare, besonders der Visuddhimagga, stellen sie unter dem Namen "Die sieben Betrachtungen" (sattānupassanā) vor und verwenden sie bei verschiedenen Anlässen zum Untersuchen des Einsichtsfortschritts25. Von einem praktischen Gesichtspunkt aus betrachtet, scheint das auf dieser Gruppe von sieben beruhende System selbständig zu sein, und wie wir im Laufe dieses Werkes sehen werden, kann die Einsicht in ihrer Gesamtheit durch diese Betrachtungen analysiert werden.

Der Visuddhimagga (XX,90) erklärt diese sieben folgendermaßen:
  1. Einer, der die Betrachtung der Unbeständigkeit (anicca) entfaltet, gibt die Auffassung von Beständigkeit auf.
  2. Einer, der die Betrachtung des Leidens (dukkha) entfaltet, gibt die Auffassung von Freude auf.
  3. Einer, der die Betrachtung des Nicht-Selbst (anattā) entfaltet, gibt die Auffassung von einem Selbst auf.
  4. Einer, der die Betrachtung der Abwendung (nibbidā) entfaltet, gibt das Vergnügen auf.
  5. Einer, der die Betrachtung der Leidenschaftslosigkeit (virāga) entfaltet, gibt die Leidenschaft auf.
  6. Einer, der die Betrachtung des Aufhörens (nirodha) entfaltet, gibt das Hervorbringen auf.
  7. Einer, der die Betrachtung des Loslassens (patinissagga) entfaltet, gibt das Ergreifen auf.


Diese sieben können kurz wie folgt erklärt werden:
  1. Einer, der wiederholt die Unbeständigkeit der Gestaltungen (aniccānupassanā) betrachtet, gibt die falsche Ansicht auf, dass Gestaltungen beständig seien (niccasaññā).
  2. Einer, der wiederholt das in den Gestaltungen enthaltene Leid (dukkhānupassanā) betrachtet, gibt die falsche Ansicht auf, dass die Gestaltungen angenehm seien (sukhasaññā).
  3. Einer, der wiederholt die Selbstlosigkeit der Gestaltungen betrachtet (anattānupassanā), gibt die falsche Ansicht auf, dass die Gestaltungen das Wesen eines Selbst hätten (attasaññā).
  4. Einer, der wiederholt die Widerwärtigkeit der Gestaltungen betrachtet (nibbidānupassanā), gibt das Vergnügen (nandi) auf, welches die mit der Freude an den Gestaltungen verbundene Gier ist.
  5. Einer, der wiederholt die Leidenschaftslosigkeit gegenüber den Gestaltungen betrachtet (virāgānupassanā), gibt die Leidenschaft (rāga) auf, welche die Neigung zu den Gestaltungen ist.
  6. Einer, der wiederholt das Aufhören der Gestaltungen betrachtet (nirodhānupassanā), gibt das Hervorbringen (samudaya) auf, welches das Verlangen ist, das fortwährend immer wieder das Auftauchen von Gestaltungen veranlasst.
  7. Einer, der wiederholt die Betrachtung des Loslassens (patinissaggānupassanā) entfaltet, gibt das Ergreifen (ādāna) auf, welches das Aneignen von Gestaltungen ist.

Hier bedeutet der Begriff bhāvento "einer, der entfaltet". Dieser Begriff hat eine große Bandbreite von Bedeutungen, und in seiner allgemeinsten Auslegung erstreckt er sich über den ganzen Weg der Einsichtsmeditation. Kurz dargelegt, weist er auf die Entfaltung der Betrachtung hin, die zum Entstehen der siebenunddreißig zur Erleuchtung gehörenden Bestandteile führt.

Vom nächsten Kapitel an werden die sieben Betrachtungen der Reihe nach einzeln beschrieben. Die Erörterung wird sich mit dem Wesen jeder Betrachtung befassen, mit der Art ihrer Entstehung in der Einsichtsmeditation, ihren funktionellen Unterschieden in den verschiedenen Stufen des Einsichtsprozesses, ihren Beziehungen zu den verschiedenen Einsichtswissen, damit, wie die jeweiligen Befleckungen durch jede Betrachtung beseitigt werden und mit anderen wichtigen Fragen. Es wird versucht, die Erörterung so praktisch wie möglich zu halten. Gebührende Aufmerksamkeit wird auch Ähnlichkeiten und Gegensätzen unter den Betrachtungen geschenkt, soweit sachdienliche Anspielungen in den kanonischen Texten und Kommentaren gemacht wurden. Wenn alle Betrachtungen einzeln untersucht worden sind, wird eine zusammenfassende Analyse dargeboten werden.



4. ANMERKUNGEN ZUR EINLEITUNG
1 Siehe Herkömmliche und Letztendliche Wahrheit.


2 Siehe Zwei Arten von Wissen.


3 Bestimmte Meditierende denken, dass sie nun bewandert genug sind, für sich allein fortzufahren und nicht länger auf den Meditationsmeister hören zu müssen, wenn sie in ihrer Praxis einen kleinen Fortschritt erzielt haben. Das Ergebnis davon ist, dass sie vom Weg abkommen und ihre Meditationspraxis entartet. Um den Erfolg zu sichern, sollte man den Lehrer immer über sein Vorankommen informiert halten und strikt seiner Anleitung folgen. Wenn Zweifel über den Lehrer, seine Anleitungen oder das Meditationsobjekt aufkommen, sollte der Meditierende diese sofort auf geeignete Weise auflösen; sonst kann die Meditation stagnieren.


4 Vism. (III,29 ff.) zählt zehn Hindernisse auf:

(I) Wohnungen - Anhaftung an Wohnsitze;
(II) Familie - Anhaftung an hilfreiche Verwandte, Freunde usw.;
(III) Gewinn - Annahme zu vieler Gebrauchsartikel;
(IV) Gruppe - eine Guppe oder Klasse von Schülern unterrichten;
(V) Arbeit - Geschäftigkeit verbunden mit dem Errichten von Gebäuden;
(VI) Reise - Reisen über große Entfernungen;
(VII) Verwandtschaft - famliliäre Beziehungen, Lehrer, Schüler, Kollegen, Gefährten usw., zu deren Versorgung im Falle von Krankheit man verpflichtet ist;
(VIII) Kummer - jegliche Art von Erkrankung;
(IX) Bücher - verantwortlich sein für Studium, Schreiben usw.;
(X) übernatürliche Kräfte - ihre Erhaltung ist ein Hindernis für die Einsichtsmeditation, wenn auch nicht für die Geistesruhemeditation. Jedoch anderswo (z.B. in KhuA.22) ist ein guter Ruf (kitti) erwähnt als eine Alternative für übernatürliche Kräfte.



5 Siehe Anhang 3: Die vier Schutzmeditationen.


6 Die fünf Hemmungen (pañca nīvaranā) sind: sinnliche Lust, Übelwollen oder Zorn, Faulheit und Starrheit, Aufregung und Sorge, und Zweifel. Weil diese die Haupthindernisse zur Entfaltung von Konzentration und Weisheit sind, haben sich Meditierende sehr wachsam vor ihnen zu schützen. Vielen Meditierenden gelingt es nicht, Fortschritte zu erzielen infolge ihrer Unfähigkeit, diese Hindernisse zu überwinden. Wenn man mit den Hemmungen konfrontiert wird, muss man sich darin üben, sie sogleich zu erkennen und zu beseitigen und ihr Wiedererscheinen entschieden zu verhindern; denn wenn es einer Hemmung ermöglicht wird, wiederholt aufzutauchen, wird sie an Stärke zunehmen und es wird schwieriger, sie zu unterdrücken.


7 Mehr über die Jhānas zu lesen in "The Seven Stages of Purification and the Insight Knowledges", 2. Aufl. (Kandy: BPS, 1993) vom Ehrw. Mahāthera Mātara Srī Ñāṇārāma, pp. 15-18. (deutsch in: "Erkennen - Nicht tadeln - Ändern" Festschrift zum 70. Geburtstag von Ayya Khema, Jhana-Verlag Uttenbühl 1993) Wie im Vism. (III, 105-7) erklärt ist, können die acht Objekte der erinnernden Meditation (anussati) - Buddha, Dhamma und Sangha; die Tugend (sīla), Freigebigkeit (cāga), Gottheiten (devatā), Frieden (upasama) und Tod (marana) - sowie die Wahrnehmung der Widerwärtigkeit der Nahrung (āhāre patikkūla-saññā) und die Aufmerksamkeit auf die Elemente (dhātu-manasikāra) - obwohl außerstande, eine Vertiefung herbeizuführen (appanā), angrenzende Sammlung erzeugen (upacāra-samādhi), die ausreichend stark ist zur Unterdrückung der Hemmungen. Man sollte mit dieser angrenzenden Sammlung als Basis in die Einsichtsmeditation einsteigen. Der Vism. bemerkt ferner (in VII, 121-27), dass, obwohl die ersten sechs Erinnerungen nur bei edlen Schülern erfolgreich sind, ein tugendhafter Weltling sie zur Unterdrückung der Hemmungen verwenden kann und dann auf dieser Basis die Praxis der Einsichtsmeditation beginnen kann. Die Erinnerung an den Frieden wird in der selben Weise behandelt (Vism. VIII,250).

Man erreicht das erste Jhāna allein durch die zehn Wahrnehmungen der Widerwärtigkeit (asubha) und die auf den Körper gerichtete Achtsamkeit (kāyagatāsati); die ersten drei Jhānas durch liebende Güte (mettā), Mitgefühl (karunā) und uneigennützige Freude (muditā), und das vierte Jhāna nur durch Gleichmut (upekkhā). Alle vier Jhānas sind erreichbar durch die zehn Kasinas und Atemachtsamkeit (ānāpāna-sati). Die vier unkörperlichen Zustände (āruppa) als Meditationsobjekte sind spezifisch für die entsprechenden vier nichtmateriellen Jhānas (Vism. III, 107)



8 Ein Jhāna-Erreicher mag verhaftet bleiben mit der Wonne und Stille der Jhānas und das Beginnen der Einsichtsmeditation verpassen. Hier sollte man besonders den Gedanken hegen, dass nicht nur die Jhāna-Wonne, sondern auch die durch Jhāna-Kraft erreichte Geburt in den Brahma-Welten unbeständig ist. Das Ziel des Buddhismus ist nicht Geistesruhe, sondern der Frieden des Pfades, der Frucht und des Nibbāna, welcher nur durch Einsichts-Weisheit erreichbar ist. Daher sollte man sich der Einsichtsmeditation widmen. Es mag einfach sein, Fortschritte in der Geistesruhemeditation zu machen, wenn man anfangs durch Einsichtsmeditation die Befleckungen auf ein bestimmtes Maß zurückdrängen kann. Jedoch einige Meditierende, die nur an Einsichtsmeditation gewöhnt sind, mögen es gelegentlich schwierig oder unangenehm finden, Geistesruhemeditation zu praktizieren.


9 Die Unreinheiten einschließlich der Hemmungen werden allgemein in drei Hauptstufen beseitigt: (I) durch die Kraft der heilsamen Aktivitäten in der Sinnessphäre, man beseitigt sie durch "Ersetzen durch das Gegenteil" (tadanga-pahāna); (II) durch die Kraft der Jhānas der feinstofflichen und unstofflichen Sphären beseitigt man sie durch Unterdrückung (vikkhambhana-pahāna); (III) durch die Kraft der überweltlichen Pfade rottet man sie vollständig aus (samuccheda-pahāna). Die überweltlichen Pfade schneiden die Befleckungen zusammen mit ihren zugrundeliegenden Tendenzen (anusaya) ab, so dass sie nie wieder entstehen können. Die ersten zwei Methoden beseitigen die Unreinheiten zeitweise, nur solange, wie die heilsame Aktivität wirksam ist. Weil die zugrundeliegenden Tendenzen nicht ausgerottet wurden, können die unterdrückten Unreinheiten später wiedererscheinen. Einsichtsmeditation merzt die Unreinheiten durch das "Ersetzen durch das Gegenteil" (tadanga) aus, was den Weg bahnt für die vollständige Ausrottung durch die überweltlichen Pfade.


10 Gemäß dem Pm.I,166 ff. sollte Konzentration, ob durch Geistesruhe- oder Einsichtsmeditation erzielt, folgende zehn Merkmale haben:

(I) der Geist ist nicht abgelenkt (vikkhitta) durch Beschäftigung mit dem Vergangenen;
(II) nicht erregt (kampita) durch Sehnsucht nach Zukünftigem;
(III) nicht geschrumpft durch Lethargie (kusīta);
(IV) nicht bewegt durch Ruhelosigkeit (uddhacca);
(V) nicht der Leidenschaft (rāga) unterworfen;
(VI) nicht widerspenstig durch Ärger (vyāpāda);
(VII) die zwei Paare von Fähigkeiten - Vertrauen+Weisheit und Tatkraft+Konzentration - sollten im Gleichgewicht sein;
(VIII) die Fähigkeiten Vertrauen, Tatkraft, Achtsamkeit, Konzentration und Weisheit sollten auf einen einzigen Zweck ausgerichtet sein;
(IX) die Energie sollte ausreichend sein für die letzten zwei Absichten;
(X) die Konzentration sollte verstärkt werden durch wiederholte Praxis.

Die Einsichtswissen entstehen nur, wenn die geistige Konzentration durch diese Eigenschaften gekennzeichnet ist.



11 "Gestaltungen" (sankhārā) bedeutet alles, was durch Ursachen und Bedingungen entstanden ist, deshalb auch alles, was die beiden Begriffe "Geist" und "Materie" (nāma und rūpa) einschließen. Die letztendlichen Soheiten (paramattha), die als "Geist" (nāma) bezeichnet werden, sind die neunundachtzig Bewusstseinszustände (citta) und die zweiundfünfzig Geistesfaktoren (cetasika); die als "Materie" (rūpa) bezeichneten sind die achtundzwanzig letztendlichen materiellen Phänomene. Der selbe psycho-physische Prozess wird auch in die fünf Anhäufungen zergliedert, die vier nichtmateriellen Anhäufungen - Gefühl, Wahrnehmung, geistige Gestaltungen (= alle Geistesfaktoren außer Gefühl und Wahrnehmung) und Bewusstsein bilden nāma, die Anhäufung der Materie bildet rūpa. Der selbe psycho-physische Komplex ist ferner unterteilt in die zwölf Sinnesgrundlagen (āyatana), die sechs oder achtzehn Elemente (dhātu) usw.

Der Buddha musste diese Extra-Einteilung einführen, um den unterschiedlichen intellektuellen Fähigkeiten der Wesen, die seine Anleitung brauchten, zu entsprechen. Es sollte vermerkt werden, dass "Gestaltungen" (sankhārā) in zwei verschiedenen Bedeutungen angewandt wird: (I) als alle bedingten Phänomene und (II) als die vierte der fünf Anhäufungen. Um sie zu unterscheiden, sprechen wir bei (II) von "geistigen Gestaltungen". Sankhārā wird verwendet in der Formel der bedingten Entstehung (paticca-samuppāda) um auf die "Kamma-Gestaltungen" zu verweisen, das karmisch aktive Wollen.



12 Das Sutta ist in A. II,94 zu finden. Die drei Pāli-Begriffe im Katechismus sind: datthabba, sammasitabba und vipassitabba. Da im Pug. 61-62 der Einsichts-Erlanger als einer beschrieben wird, der den überweltlichen Pfad erreicht hat, können wir folgern, dass der hier angeführte Katechismus den ganzen Einsichtspfad umfasst.


13 "Volles Verständnis" im weltlichen Sinne ist dreifach: (I) volles Verständnis des Erkannten (ñāta-pariññā); (II) volles Verständnis als Untersuchung (tīrana-pariññā); und (III) volles Verständnis als Aufgeben (pahāna-pariññā). Zu Einzelheiten siehe Vism. XX, 3-4.


14 Die "Unreinheiten der Einsicht" sind zehn außergewöhnliche Erfahrungen, die entstehen, wenn die Einsichtsmeditation beginnt, schwungvoller zu werden, besonders in der heiklen Phase des Wissens vom Auf- und Untergang: die Wahrnehmung einer Aura um sich herum, starkes Zunehmen im Verständnis, Freude, Ruhe, Glücksempfinden, Vertrauen, Energie, Achtsamkeit, Gleichmut und starke Anhaftung an diese Zustände. Für einige Meditierende mögen nur ein paar davon zutreffen. Es ist die Anhaftung, die diese zu "Unreinheiten" macht, denn wenn man beginnt, an ihnen zu haften, mag man annehmen, dass man eine überweltliche Realisierung erwirkt hat und mag seine eigene Meditation vernachlässigen, um andere zu unterrichten. Die Gefahr liegt hier nicht im Erleben der selben, sondern in ihrem Genießen und im Missverständnis ihrer Bedeutung. Um dieser Falle zu entgehen, muss man solche Erfahrungen im Licht der drei Merkmale betrachten und wenn nötig, die Hilfe des Lehrers suchen.
15 Siehe Anmerkung 13.


16 Zu diesem Zeitpunkt mag der Meditierende fähig sein, sich die machtvolle Einsicht, die er in seiner geistigen Kontinuität durch die Realisierung des Pfades und der Frucht des Stromeintritts aufgebaut hat, für das weitere Vorankommen nutzbar zu machen. Folglich kann er die Bemühung, die Frucht des ersten Pfades zu meistern, vorläufig einstellen und in der Einsichtsmeditation fortfahren mit dem Ziel, den zweiten Pfad zu erreichen, den des Einmalwiederkehrers. Dies wird die Serie der Einsichtswissen mit noch größerem Scharfsinn erzeugen als beim vorherigen Anlass, damit die notwendige Grundlage zur Entstehung des zweiten Pfades liefernd. Auf diese Weise könnte der Meditierende versuchen, die Praxis der Einsichtsmeditation bis zur Arahantschaft auszudehnen.

Ein Meditierender, der dies nicht kann, sollte nach der Realisierung des ersten Pfades die Erreichung der Verwirklichung meistern. Das wird helfen, die Einsichtswissen in geeigneter Folge zu festigen. (Wenn der Meditierende dies nicht pünktlich erledigt, könnte er es zu schwierig finden, die Verwirklichung bei einer späteren Gelegenheit wiederzugewinnen.) Sobald die Erreichung der Verwirklichung gründlich gefestigt ist, sollte man ihr nicht weiter nachgehen, sondern stattdessen die Einsicht zur Erreichung des nächsten Pfades erwecken. (Wenn das Interesse an der vorigen Verwirklichung zu lange anhält, könnte er zu ihr zurückkehren und verwirrt werden.) Auf diese Weise wird die Einsicht bis zu ihrer Vervollkommnung fortgesetzt mit der stufenweisen Realisierung der Arahantschaft. Siehe "The Seven Stages of Purification" für eine ausführliche Erörterung der Läuterungen und Einsichtswissen.



17 Siehe Anmerkung 13.


18 Siehe Anmerkung 9.


19 Anupassatī ti anu anu passati, anekehi ākārehi punappunam passatī ti attho (Vism.XXI,14; PmA. 182).


20 Pm. I,54, 57, 58; Vism. XXI,1.


21 Pm. I,20, 24, 25, 32, 47 usw. Eine englische Übersetzung des Pm. von Bhikkhu Ñānamoli ist veröffentlicht unter dem Titel "The Path of Discrimination" (PTS, 1982).


22 Pm. I,10, 211; II,42-43, 241-42.


23 Vism. XX,90; XXII,113; DA. I,47-48; AT. II,275, usw.


24 Pm. I,10, 56, 57-58, 76-78; II,185-86.


25 z.B.: Vism. VIII,233; XX,4; MA. I,141-42; ST. II,453-54.



Ñāṇārāma Mahāthera. Die Sieben Betrachtungen der Einsicht. © Theravadanetz.